Sardinien oder „Nur in Deinem Kopf“

Über zwei Wochen Pause im Blog – und das aus gutem Grund: Ich war im Urlaub! Auch ohne ein Jahr Pause von der Arbeit wäre ich über Ostern nach Italien gereist, um an einem Esperantotreffen teilzunehmen. Nun zählt Sardinien nicht als neues Land auf meiner Liste, aber immerhin war ich noch nie auf dieser Insel. Außerdem habe ich auf der Hinfahrt nach Mailand einen zweistündigen Zwischenstopp in Zürich gemacht, so dass ich dieses Jahr bereits in sieben Ländern gewesen bin (Polen, Tschechien, Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Italien). Zum Vergleich: 2013 waren es insgesamt nur sechs.

Zu Sardinien selbst: Ich war in Lu Bagnu bei Castelsardo im Norden. Selbst der nächste Flughafen in Alghero ist 67 km entfernt. Es ist in Italien aber nicht ungewöhnlich, dass man die schönen Urlaubsorte nur schwer erreichen kann. Ich habe zwar eine Reihe Fotos geschossen, bringe aber nur die vom Strand und den Sonnenuntergängen, um ein wenig Neid auszulösen:

Es war in jedem Fall spannend, zu hören, wie meine Reisepläne unter Esperantosprechern aufgefasst werden. Die Reaktionen waren zum Teil durchaus anders als in meinem restlichen Umfeld:
„Nur ganz Europa? Wie langweilig!“
„Du hast bisher nur 21 Länder besucht? Ich bin jünger habe schon 30 geschafft!“

Das zeigt allerdings auch, warum ich erstens sehr gerne in der Esperantowelt unterwegs bin (die Leute sind einfach sehr interessant!) und warum ich zweitens meine Reisepläne für nicht geeignet zum Angeben betrachte, sondern nur als persönliches Ziel. Wie ich wieder einmal gemerkt habe, sind Esperantofreunde auch hervorragend darin, mir den Kopf zurechtzurücken. So bekam ich zu hören, dass ich sehr negativ sei und das auch ausstrahle – ganz anders als der Eindruck aus meinem Alltagsumfeld. Das kann, wie ich mit ein wenig Nachdenken festgestellt habe, daran liegen, dass ich mich etwa bei der Arbeit über weite Strecken soweit wie möglich zusammenreiße und eine positive Einstellung zeige, so dass all die schlechte Laune, die ich in mir trage, in meinem Privatleben herauskommt. Ich habe allerdings auch privat zu Hause oft emotional die Schotten dicht gemacht, nachdem ich den Eindruck hatte, dass negative Gefühle wie Angst, Schwäche, Traurigkeit nicht akzeptiert werden. Entsprechend heftiger war dann, was ich auf Esperanto verbreitet habe, denn ständig kann ich mich der Wahrheit nicht verschließen.

Gerade am Anfang meiner Auszeit ist mir aufgefallen, was für heftige Gefühlsschwankungen ich habe. Es gibt auch eine Erklärung dafür, warum die miese Laune scheinbar anhält, obwohl ich es doch geschafft habe, aus meinem Alltag zu entfliehen: Es war so, als müsste ich all die schlechten Gefühle durchleben, die ich viel zu lange unterdrückt habe. So wie ein Gift, dass man erst auf dem Körper lassen muss, damit die Wunden heilen können.

Neben der Feststellung meiner negativen Einstellung bekam ich zu hören, dass das nur in meinem Kopf sei, dass auch andere solche Probleme wie ich hätten und sie lösen würden und dass es schwer sei, seine Einstellung zu ändern. Ich habe keine Ahnung, ob das so gemeint war, aber ich habe daraus spontan mehrere positive Punkte mitgenommen:

Erstens, wenn das nur in meinem Kopf ist, dann ist die Welt besser, als ich denke und dann habe ich es auch in der Hand, etwas zu ändern. Es mag zwar schwierig erscheinen, eine Kopfsache zu lösen, aber ich habe in den letzten Jahren schon ganz andere Dinge hinter mich gebracht. Das soll mich nun wirklich nicht aufhalten!

Zweitens, wenn andere Leute ähnliche Probleme haben und sie lösen, dann sind auch die Probleme, die ich im Leben habe, lösbar. Außerdem unterscheide ich mich doch nicht so stark vom Rest der Menschheit und das ist für mich eine gute Nachricht.

Drittens, die Feststellung, dass es schwer ist, seine Einstellung zu ändern, ist für mich eine Herausforderung, genau das zu tun. Es wäre nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich ausgerechnet da Erfolg habe, wo es andere als schwer erachten. Außerdem weiß ich, was ich schon alles geschafft habe.

Die Fantastishen Vier: Nur in Deinem Kopf

Und was soll ich sagen? Nach ein paar Tagen verschwand die schlechte Laune über Nacht. Wie ein Pelz, den ich nach einem langen Winter ablegen musste und an den zu tragen ich mich so gewöhnt hatte, dass mich andere auf den Frühling aufmerksam machen mussten. Der Vergleich ist auch deswegen treffend, weil ich in den letzten fast vier Jahren den Eindruck hatte, dass in meinem Leben Winter herrscht. Man sagt, dass nach jedem Winter wieder der Frühling kommt, aber der Winter in meinem Leben wollte einfach nicht mehr vorbeigehen.

Jetzt war dieses Frühlingsgefühl endlich da. Ich kann nicht beschreiben, wie wertvoll es ist, das noch einmal zu erleben.

All das Negative, das war nicht mein eigentliches Ich. Das war nur die letzte Schicht über dem eigentlichen Kern. Darunter verbarg sich tatsächlich noch ein positiver, wenn auch etwas empfindsamer Mensch, der sich durch verletzende Erfahrungen in der Vergangenheit angewöhnt hatte, einen großen Mantel zur Abwehr zu tragen.

Nun könnte man sagen: Naja, Urlaubstimmung eben, das geht vorbei. Aber ich bemerkte noch etwas Faszinierendes, was in mir vorging: Meine Gesichtsmuskeln entspannten sich. Ich bekam wieder den alten Glanz in den Augen, den ich früher mal hatte und von dem ich dachte, ich hätte ihn für immer verloren.

Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann ich mich das letzte Mal so entspannt gefühlt habe. Vor 5 Jahren, als ich das letzte Mal glücklich verliebt war? Oder sogar vor 14 Jahren, als ich glücklich verliebt war und aus dem Alltag entflohen war, weil ich ein Jahr im Ausland verbrachte (eine Erfahrung, die mich mit zu diesem Jahr Auszeit inspiriert hat)? Wie auch immer, ein unbezahlbares Gefühl.

In den vergangenen Jahren konnte ich mich selbst auf Fotos oder im Spiegel meistens nicht gut lächelnd ertragen. Schön fand ich, wenn ich ernst oder traurig guckte, weil ich das als ehrlich und authentisch empfand. Jetzt war auch das anders. Ich konnte wieder lächeln und kam mir dabei nicht verlogen vor!

Ich fühle mich wieder wie ein Mensch, der mit einem Staunen durch die Welt gehen kann. Und ich glaube, dass das auch den anderen Menschen zugute kommt, die mit mir zu tun haben.

Es ist natürlich noch einiges mehr passiert in dieser Woche in Italien. Ich hatte zum Beispiel einige sehr gute Gespräche über das Leben und was ich machen sollte. Aber es gab auch ein wenig Action, was Stoff für weitere Einträge ist.