Eine Reise nach Marseille mit nur zweimal Umsteigen, einige Tage dort und in Nizza, ein Ausflug nach Monaco, dann ein Tag in Pavia und schließlich ein Abend in Zürich – was würde noch kommen auf meiner Rundreise? Mein Aufenthalt in der Schweiz hatte einen guten Grund: Da gab es ja noch ein Land in der Nähe, in dem ich noch nie gewesen war.
Nach einem Frühstück, das ich ganz mit eingekauften Sachen bestritt, ging ich zum Hauptbahnhof und löste eine Fahrkarte bis nach Schaan. Wie ich erst dann feststellte, würde der Zug weiterfahren bis nach Budapest! Sicher nicht die schnellste Reisemöglichkeit dorthin, aber eine interessante. Außerdem freut es mich immer, zu sehen, wie die Länder miteinander verbunden sind. Ich weiß, ich bin ein wenig sentimental.
Mit dem Zug fuhr ich bis nach Buchs SG (SG steht für den Kanton Sankt Gallen). Das ist der Schweizer Grenzbahnhof. Dort stieg ich in einen neongelben Bus um, der mich in wenigen Minuten über den Rhein und damit über die Grenze nach Liechtenstein brachte. Es hätte zwar auch eine Fußgängerbrücke gegeben, aber die war ein ganzes Stück und zwischen ihr und dem Bahnhof liegen Schnellstraßen den Rhein entlang – also nicht besonders einladend für einen Spaziergang. So gerne ich auch zu Fuß über eine Brücke gehe – egal, ob ich dabei ein neues Land erreiche oder ein bereits bekanntes – das Risiko und den Aufwand war es mir dann doch nicht wert, zumal das noch wertvolle Zeit gekostet hätte.
Für die anderen Leute war es eine ganz triviale Busfahrt, für mich das Hochgefühl, ein neues Land zu erreichen. Im Bahnhof Schaan-Vaduz blickte ich mich erst einmal staunend um. Natürlich muss das etwas seltsam ausgesehen haben, denn Liechtenstein ist da ganz gewöhnlich: Ein moderner, sauberer Busbahnhof mit ganz normalen Leuten, die ihrem täglichen Leben nachgehen. Ich hätte einfach den Bus nach Vaduz nehmen können, aber wollte die Strecke lieber laufen.
Richtig spannend war das nicht: Man läuft von einer kleineren Ortschaft zur nächsten. Zwischendurch sieht man ein paar Häuser. Es ging mir aber auch mehr um die Bewegung, schließlich hatte ich die letzten Tage viel in Zügen verbracht. Ich kam an der fürstlichen Kelterei vorbei. Dann erblickte ich jedoch zum ersten Mal das Fürstenschloss. In Vaduz selbst gab es einige Tafeln, die über die Geschichte Liechtensteins informierten. Dort stehen auch das Parlament, in unmittelbarer Nähe eine Kirche sowie ein Museum und eine Touristeninformation. Dort holte ich mir eine Karte, um bis zum Schloss hochzugehen. Auf dem Weg warteten weitere Schilder mit Informationen zum Fürstentum. Schlau gemacht! Außerdem gab es einen Aussichtspunkt, der zu Landschaftsfotos einlud. In der Nähe des Schlosses entdeckte ich einen Wegweiser zu einem alpinen Wanderweg – mit einer Karte ganz ähnlich zu jener, die ich erst vor wenigen Tagen in Monaco gesehen hatte!
Während es bisher ein etwas kühler, aber angenehm sonniger Tag gewesen war (ich hatte zwischen das Futter meiner Jacke ausziehen müssen), wurde es nun etwas bedeckter und damit kälter. Das gute Wetter für Fotos war vorbei. Einen Besuch im Museum sparte ich mir; ich war nicht in der richtigen Stimmung. Stattdessen ging ich erneut zu Fuß nach Schaan zurück.
Hinweisschilder auf die nahe Nachbarländer faszinieren mich jedesmal (der Rekord war bei der Fahrt in die Slowakei, als in Wien gleichzeitig Tschechien, die Slowakei Ungarn, und Slowenien ausgeschildert waren). Die Hinweise auf Feldkirch in Österreich fand ich deswegen interessant, weil es einen direkten Zug von Münster nach Feldkirch gibt und ich überlegt hatte, auf diese Weise Liechtenstein zu erreichen (mit Unterkunft in Feldkirch). Diese Option hatte ich mir bislang als schnell umsetzbare Reise in ein neues Land offengehalten, falls ich nur ein paar Tage Zeit hätte. (Ich hatte übrigens ebenfalls lange überlegt, diesen Eintrag entweder „Die Schlacht um Vaduz“ (fiktiver Film aus einem MAD-Heft) oder „Captain Liechtenstein“ (Superheldenwitz von Walter Moers) zu nennen.)
Liechtenstein erinnert insgesamt stark an die Schweiz: sehr wohlhabend, sehr sauber, sehr ruhig, ein schönes Land in den Alpen. Nicht umsonst verwendet man den Schweizer Franken und hat eine Zollunion mit der Schweiz.
Von Schaan fuhr ich mit dem Bus nach Buchs SG zurück. Es war zwar auch ein Fußweg ausgeschildert, aber ich wusste nicht, wie lange ich benötigen würde. In Buchs SG musste ich noch einige Zeit auf den nächsten Zug warten, hatte aber gute Laune. Interessanterweise fand ich im Bahnhof erneut einen Hinweis auf Ungarn: Es wurde an die Flüchtlinge erinnert, die nach dem Aufstand von 1956 in der Schweiz eine neue Heimat gefunden hatten und hier zum ersten Mal Schweizer Boden erreichten. Ursprünglich wollte ich spätestens ca. 18:00 Uhr zurück nach Zürich fahren, jetzt brach ich zwei Stunden früher auf. Der Zug kam tatsächlich aus Ungarn.
Zurück in Zürich, ging ich abends in dasselbe italienisch Lokal wie am Tag zuvor und genoss das gute Essen. Am nächsten Morgen lebte ich ein weiteres Mal von meinen Vorräten und brach Richtung Flughafen auf. Inzwischen galt für meine Reise „7 Tage, 7 Länder“, doch nun wollte ich ein achtes hinzufügen.
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