Seit das Jahr Auszeit läuft, fragen mich Leute ab und zu, ob ich denn überhaupt wieder anfangen werde zu arbeiten. Es muss doch schwer sein, sich wieder auf den Arbeitsalltag umzustellen. Letzteres stimmt sicherlich – aber das gilt auch für jeden Urlaub. Vor allem aber habe ich einen Erfahrungswert aus der Vergangenheit: Meine Zeit auf Sizilien, die mich ohnehin erst auf die Idee gebracht hatte, eine Auszeit zu nehmen. Ich kam damals absichtlich bereits einen Monat vor Vorlesungsbeginn an, um mich sprachlich und kulturell einzugewöhnen. Das war die richtige Entscheidung. Ich hatte viel Zeit, um Leute kennenzulernen. Nach einem Monat fand ich das „nur herumhängen und Party machen“ schrecklich langweilig und freute mich, als das Semester losging. Ich hatte mir zwischenzeitlich sogar schon ein Projekt gesucht, um mich zu beschäftigen.
Dieses Jahr war es ähnlich. Zwischendurch war ich als Spieletester tätig, was eben nicht nur „stumpf zocken“ bedeutet, sondern ordentlich einen Bericht schreiben und die Punkte berichten, die mir aufgefallen sind. Jetzt, kurz vor Ende des Jahres, gibt es bei einem ganz anderen Projekt einen Erfolg zu feiern: WordPress ist wieder auf Esperanto erhältlich – und ich war maßgeblich daran beteiligt, dass dem so ist.
Ich benutze WordPress für mein erstes und eigentliches Hauptblog „La vivo de Kunar„, seit ich 2009 von LiveJournal auf eine eigene WWW-Adresse umgestiegen bin. Da das Blog auf Esperanto ist, war es auch nur folgerichtig, die Esperanto-Übersetzung zu benutzen. Leider erschienen nach und nach mit den Aktualisierungen immer mehr Textteile auf Englisch, wobei mich am meisten die störten, die auch öffentlich zu sehen waren.
Ich hatte schon einmal recherchiert, wer eigentlich für die Esperanto-Übersetzung verantwortlich war: Wie sich verblüffenderweise herausstellte, war es ein alter Bekannter von mir! Aber ich hatte die Sache nicht weiterverfolgt. Nachdem ich ihn auf einem Esperanto-Kulturwochenende Ende September in Polen wiedergesehen hatte, schrieb ich ihn im Oktober noch einmal an. Und siehe da, ich erfuhr: Er hatte schon länger keine Zeit mehr, sich um die (weitere) Übersetzung zu kümmern, und inzwischen sei die letzte vollständige Esperantoversion so alt, dass sie in Gefahr sei, ganz zu verschwinden. Mein Angebot zur Mithilfe kam also gerade noch rechtzeitig.
Es fanden sich noch einige weitere Interessierte und ab Mitte November legte ich langsam los. Es galt mehrere Tausend Stücke Text zu übersetzen. Dazu gehörte WordPress selbst, die Administration sowie die Twenty-Themen und geographische Orte für die Zeitzonen. Obwohl ich soviel über Reisen geschrieben habe, gab es auch mal eine Woche, in der ich das Haus nicht verlassen habe. Ganz entsprechend dem Informatikerklischee saß ich in einem Zimmer unter dem Dach und tippte wie ein Besessener – und doch musste das, was ich ablieferte, am Ende einen Sinn ergeben. Zum Glück war eine regelmäßige Versorgung mit Essen, Kaffe und sozialen Kontakten sichergestellt! Und keine Angst, das waren Tage, in denen ich ohnehin alleine war, denn normale Leute müssen irgendwann zur Arbeit oder Uni.
Bei der Übersetzungsarbeit gab es einige typische Phänomene, wie ich sie auch aus anderen freiwilligen Softwareprojekten oder dem Berufsleben gewohnt bin: Man fängt die Arbeit an, ohne alle Strukturen zu kennen, hat regelmäßige Besprechungen und muss zusehen, dass man gut kommuniziert.
Im Dezember sah es dann so aus, als würden wir nicht mehr dieses Jahr fertig werden. Wir hatten aber einen guten Fortschritt gemacht und aus einem fast totgeweihten Projekt ein vorzeigbares Ergebnis gemacht, auf dem man aufbauen konnte. Nun kamen noch einige weitere Textstücke für die neue WordPress-Version 4.1 hinzu inklusive des neuen Themas Twenty Fifteen, aber selbst die waren im Nu übersetzt – inzwischen hatte ich mich warmgeschrieben und auch einige andere waren dabei. Dennoch würden wir den Endtermin, bis zu dem alles übersetzt sein musste, wohl kaum halten können. Ich schrieb dennoch eine aufmunternde Nachricht an alle, denn der Stand sah wirklich gut aus, und war zuversichtlich, dass es noch im Januar etwas werden könnte.
Aber was geschah? Es setzte ein richtiger Endspurt ein. Und ich hatte mich mit dem Enddatum geirrt, es war um zwei Tage nach hinten verschoben worden. Am 17. Dezember übersetzte ich abends das letzte Stück. Sicherlich, das Ergebnis war noch nicht getestet worden und es würde noch viel Feinschliff erfordern, um daraus eine „richtig ordentliche Version“ zu machen.
Einer der coolsten Momente war, als ich später die Protokolle aus einem Chat nachlas, in dem derselbe Mann, der vorher die drohende Löschung der Esperanto-Version bekannt gegeben hatte, sinngemäß schrieb: „Eine Esperantoversion ist in Arbeit, es kann aber etwas dauern… Moment mal, sie sind bei 95%! Die könnten ja noch fertig werden heute!“
Nach WordPress übersetzte ich am nächsten Tag noch noch das Anti-Spam-Programm Akismet. Etwa eine Stunde später erfuhr ich, dass das für die Auslieferung offenbar sehr wichtig war. Am späten Nachmittag des 18. Dezember wurde WordPress Version 4.1 veröffentlicht – und zwar ebenfalls auf Esperanto.
Ich aktualisierte mein eigenes Blog und sah plötzlich die Texte, die ich zum Teil keine 24 Stunden vorher noch eingetippt hatte, als Teil einer Software. Das war eine unglaublich bewegende Erfahrung. Das fertige Produkt meiner Arbeit so schnell zu sehen, ist mir nicht immer vergönnt.
So habe ich mir zum Ende des Jahres 2014 noch selbst ein kleines Geschenk gemacht, denn es ging mir darum, mein Blog wieder in meiner Muttersprache Esperanto zu sehen. WordPress auf Esperanto ist unter anderem erhältlich via eo.wordpress.org.
Dort habe ich auch gebloggt, als die Übersetzung fertig war und als WordPress 4.1 in Esperanto verfügbar war (plus das nützliche Plugin Cxapelado).
In der Projektübersicht kann man verfolgen, wie weit wir jeweils sind. Es gibt auch eine Übersicht über alle WordPress-Übersetzungen. Wer an der Esperanto-Übersetzung mitgewirkt hat, erscheint auf einer eigenen Seite über die Mitarbeiter.
Der nächste Schritt wird sein, die Übersetzung von wordpress.org nach wordpress.com zu bringen. Ich habe nicht vor, die etwa dreifache Menge zu übersetzen, die für .com nötig wäre. Sinnvoll und nützlich ist jedoch, die Themen für wordpress.com zu übersetzen, und das geht jeweils einzeln.
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