Der Held geht auf die Reise

„Der Groove ist so etwas wie eine inhärente Energiequelle, ein natürlicher Flow, oder?“ – eine Freundin

Ich bin auf der Suche nach dem verlorenen Groove. Dabei habe ich bereits klar benennen können, wie es sich anfühlt, wenn ich ihn habe, und – anders als früher – die entscheidende Bedingung erkannt, um wieder dorthin zu gelangen: Der Weg wird durch einen Zugang zu meinen Gefühlen führen. Ist also das Problem gelöst, die Geschichte zuende? Ganz im Gegenteil: Jetzt geht es erst richtig los.

Ich habe das Gefühl, den Groove zu haben, mit Superkräften verglichen. Was jetzt notwendig ist, ist tatsächlich Bestandteil vieler Geschichten: Der Held entdeckt in sich Superkräfte, muss aber erst lernen, mit ihnen umzugehen.

Wie lassen sie sich auslösen? Wodurch schwinden sie? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie sinnvoll einsetzen? Was ist die neue oder nach wie vor bestehende Schwachstelle des Helden?

Der Groove ist eine innere Kraft, die mit Selbstachtung und Selbstvertrauen zu tun hat.

Der Groove stellt sich ein, wenn Menschen lieben, was sie tun (auch wenn es Arbeit ist). Ich erinnere mich etwa an die Mitarbeiter eines Cafés, die gut gelaunt und scheinbar mühelos ihren Job machten, selbst wenn viel zu tun war. Erst kürzlich las ich einen ganz ähnlich klingenden Bericht über ein erfolgreiches Restaurant-Team.

Den Groove habe ich immer dann, wenn ich mit mir selbst im reinen bin. Ich spüre ihn dadurch, dass ich mir über das große Ganze keine Sorgen mache, sondern den Moment genieße und in ihm lebe. Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn das bedeutet, dass das keine vereinzelten Glücksfälle auf dem Höhepunkt meiner Kraft waren, wenn ich gerade alles in meinem Leben sortiert hatte, sondern dass sich dieser Zustand bewusst herstellen läßt!

Tja, dann kommen wir mal zu den bisherigen Grenzen. Wenn Authentizität so toll ist – warum habe ich die nicht immer? Warum geht der „Flow“ nicht automatisch dahin? Was hält mich davon zurück, das öfters zu haben? Und als Bonus: Warum habe ich mir solche Fragen nicht früher gestellt? Ich kann doch spüren, was mir gut tut und die Fragen liegen auf der Hand! Was hat mich also dahingehend blockiert?

Diese Metafragen deuteten tatsächlich schon in die richtige Richtung: Ich hatte anscheinend ausgeblendet oder vermieden, in diese Richtung zu denken. Plötzlich sah ich mich mit alten Schatten konfrontiert, die tief in mir geschlummert hatten.

Als ich mir endlich die richtigen Fragen stellte (und mich ihnen), kamen einige erschütternde Erkenntnisse und traurige Antworten. Doch diesmal wollte ich bewusst durch all das gehen, um mich zu befreien. Darum ist es mir auch wichtig, die Gedanken herunterzuschreiben: Damit ich weiterdenken und -fühlen kann.

Ganz konkret:

Wenn ich den Groove verlor, fand ich es offenbar weniger schmerzhaft, zu glauben, ich hätte das schon irgendwie verdient und wäre nicht gut genug gewesen, als einzusehen, dass einem manchmal einfach schlechte Dinge passieren. Ich hatte also Angst vor schlechten Dingen, die unvorhersehbar passierten. Woher kam sie?

Selbstachtung, Respekt für sich selbst und Verständnis für die eigenen Bedürfnisse sind natürlich. Wieso habe ich mich dann mehrfach selbst so vernachlässigt? Dass mein Alltag mir keinen Kick mehr geben konnte, war seinerzeit auch Grund für die Auszeit.

Die Erkenntnis, für das gemocht zu werden, was ich wirklich bin, hat mich völlig umgehauen. Warum eigentlich? Da steckt ja drin, dass es eigentlich nicht normal ist. Da kamen viele tief verwurzelte Überzeugungen ans Tageslicht: Dass ich „an und für sich nicht gut genug“ bin, dass ich „störende Teile“ habe, die ich verstecken muss, dass ich „mehr leisten muss“, um das auszugleichen… dabei bin ich im Berufsleben ein Mensch mit guter Ausbildung und Erfahrung. Wieso sollte ich da insgesamt nicht gut genug sein oder gar eine Last? Warum sollte es eine Zumutung sein, mich überhaupt ertragen zu müssen?

Mehr über diese hinderlichen Überzeugungen schreibe ich beim nächsten Mal. Den Namen des Dämonen zu kennen heißt, ihn bannen zu können…

Wo der Groove zu finden ist

Den Groove wiederfinden ist mein Ziel. Ich weiß bereits, dass ich den verlorenen Groove nicht durch Arbeit oder irgendwelche äußeren Einflüsse finden werde, sondern in mir selbst. Wie habe ich das herausgefunden?

Eine erhellende Erfahrung

Es geschah letztes Jahr im Rahmen meiner Arbeit, als ich ein einschneidendes Erlebnis machte. Ich engagierte mich in einer Initiative für eine Sache, die mir am Herzen lag und deren vorgeschlagene Lösung ich ansprechend fand. Ich war einer von mehreren Pionieren aus verschiedenen Abteilungen, die größtenteils zum ersten Mal zusammenarbeiteten. Innerhalb kurzer Zeit lernte ich ein neues Konzept und verbreitete das Wissen, kam mit Leuten ins Gespräch, gab interne Schulungen. Im Oktober präsentierte ich schließlich zusammen mit einer Kollegin auf einer Veranstaltung in Amsterdam, was wir gemacht und bisher gelernt hatten.

Mir machte es großen Spaß, mich außerhalb der gewohnten Bahnen zu bewegen. Einige Aufgaben erinnerten mich an meine Zeit als Aktiver bei der Deutschen Esperanto-Jugend, in der ich unter anderem internationale Veranstaltungen mitorganisiert habe und gelernt habe, alle möglichen Arten von Problem vorauszusehen oder auch spontan zu lösen.

Die Reaktionen, die ich bekam, waren hochinteressant. Einige Kollegen, mit denen ich zusammenarbeitete, sagten mir, ich hätte eine besondere Ausstrahlung und man merke mir an, dass ich für die Sache brenne. Von der Veranstaltung in Amsterdam bekam ich begeistertes Echo von Teilnehmern der Präsentation.

Ich war natürlich sehr angetan; nur konnte ich mir diesen durchschlagenden Erfolg zunächst gar nicht erklären. An dem Aufwand konnte es wohl kaum gelegen haben. Auch wenn es viel Arbeit gewesen war, hatte es sich so leicht angefühlt.

Wie konnte ich diese Wirkung auf die Leute gehabt haben? Ich hatte doch gar nichts Besonderes gemacht! Ich war einfach nur ich selbst gewesen.

Ich bekam allerdings noch eine Rückmeldung: Ich sei authentisch und das merke man mir an. Authentizität im Sinne von „mit sich selbst im Reinen sein“ ist unglaublich attraktiv. Ich wusste um diese Wirkung.

Schließlich dämmerte es mir: Ich war bei diesen Gelegenheiten im Einklang mit mir selbst gewesen. Deswegen fühlte ich mich fast unbesiegbar. Rückschläge und Schwierigkeiten schmerzten nicht. Die Bestie des Selbstzweifels, sie hatte keine Zähne!

Mir wurde klar, dass dies die erste Situation bei der Arbeit gewesen war, in der ich entlang meiner Gefühle gearbeitet hatte – und nicht etwa gegen oder ohne sie. Das war eine lebensverändernde Erkenntnis für mich.

Eine tiefgreifende Erkenntnis

Mir dämmerte, dass ich eine falsche Dichotomie gesehen hatte: Entweder Herz oder Hirn – und fürs Hirn wurde ich schließlich bezahlt. Da lag es auf der Hand, dass ich die Gefühle soweit wie möglich ausblenden oder im Zweifelsfall unterdrücken musste, wenn sie scheinbar im Weg standen. Aber wen störten sie eigentlich? Früher hatten viele Leute Probleme mit meinen Gefühlen, und ich nahm es als gegeben hin, dass ich ihnen meine Emotionen nicht zumuten konnte. Warum das so war, das ist eine eigene Erzählung.

Inzwischen habe ich gelernt, dass auch für einen „rationalen“ Job bestimmte Dinge zählen: Psychologische Sicherheit und allgemein sich wohl fühlen. Klar muss man sich immer wieder herausfordern und sich ändern – aber das muss eben aus sich selbst heraus kommen und nicht forciert von außen.

Nachdem ich erlebt habe, dass es das gibt, weiß ich: Dahin will ich wieder zurück.

Die Umstände

Interessant sind dabei die Umstände, unter denen das passiert ist. Ich habe nicht etwa mehrere Jahre nach einer Krise gebraucht. Im Gegenteil, ich war zu dem Zeitpunkt bereits schwer angeschlagen – und dennoch ist es gelungen.

Es waren auch nicht außergewöhnlich günstige Bedingungen im Berufsleben: Diese Art von abteilungsübergreifender Zusammenarbeit bedeutete, unbekanntes Terrain zu betreten.

Da die Initiative so hoch aufgehängt war, spielte immer große Firmenpolitik im Hintergrund mit. Da ist normalerweise kein Platz für Rücksicht auf Gefühle.

Auf der Veranstaltung waren Experten und Leute mit langjähriger Erfahrung. Ich war ein Neuling, der das im ersten Jahr machte.

Was ich jedoch gemerkt habe: Gerade die emotionale Komponente und das Ansprechen von Unsicherheit im Rahmen von Schulungen funktionierten. Die Wirkung auf andere ließ sich bei späteren Gelegenheiten auf anderen externen Veranstaltungen zu anderen Themen und unter anderen Rahmenbedingungen reproduzieren. Sie bestand also nicht aus der Magie eines Momentes oder dem Zauber des Neuen.

Wie treffend heißt es doch in Andreas Bouranis Lied „Auf uns“, das ich schon früher zitiert habe:

Hier geht jeder für jeden durchs Feuer
Im Regen stehen wir niemals allein
Und solange unsre Herzen uns steuern
Wird das auch immer so sein

Dass ich über eine unglaubliche Kraft verfüge, wenn auf mein Herz achte, habe ich endlich erkannt. Das wird der Weg sein!

Auf Tuchfühlung mit dem eigenen Groove

Das Ziel ist bekannt: Den Groove wiederzufinden. Das ist sicherlich besser als irgendwelche festen Ziele im Leben, die gar nicht mein Ding sind. Umso wichtiger ist es, mir das eigentliche Ziel vor Augen zu führen.

Was ist dieser Groove? Wo kommt er her? Woran erkenne ich ihn?

Schwer, das auf einen Schlag zu beantworten. Ich versuche es daher zunächst mit einem kleineren Schritt: Wann habe ich den Groove in der Vergangenheit mit Sicherheit gehabt?

Das kann ich sogar recht klar festmachen. Mit 20, 23, 30 und 37 Jahren habe ich ihn am deutlichsten gespürt. Natürlich gab es auch andere gute Zeiten, aber diese Zeitpunkte markieren Höhepunkte meines Lebens. Die letzte Hochphase begann mit der magischen Nacht.

Wie habe ich den Groove früher gesehen?

Immer, wenn ich den Groove wieder verloren hatte, war ich am Boden zerstört. Ich dachte manchmal, ich hätte etwas falsch gemacht und würde nun zurecht dafür vom Schicksal bestraft. Ich hätte mich eben dieses tollen Lebens nicht als würdig erwiesen.

Die Glücksmomente schienen mir im Nachhinein unerklärlich, auch in den guten Zeiten selbst: Wie hatte ich denn das geschafft? Und damit hatte ich auch nie einen Plan, wie ich wieder dorthin gelangen könnte. Darum waren Rückschläge so niederschmetternd: Einmal aus dem Paradies vertrieben, war der Weg zurück lang und steinig.

Noch bis vor kurzem habe ich befürchtet, es müsse zwangsweise so sein – so wie in den Jahren vor der Auszeit. Heute weiß ich, dass ich schneller wieder wie ein Phönix aus der Asche steigen kann.

Den Groove verdiene ich mir nicht durch harte Arbeit. Den Groove finde ich in mir selbst.

Was mich zu dieser Erkenntnis gebracht hat, ist eine Geschichte für sich. Die schreibe ich ein anderes Mal auf.

Wie ein Phönix aus der Asche

Wenn man sich in einer persönlichen Krise befindet, scheint plötzlich alles in Frage gestellt zu sein. Daher ist es wichtig, etwas Positives festzustellen, das sich gerade nicht verändert hat und das nach wie vor einen Wert besitzt.

Dazu fällt mir eine grundsätzliche Erkenntnis ein, die ich über die Jahre entwickelt habe. Sie hat sich in all der Zeit bewahrheitet:

Aus jeder Krise bin ich stärker als zuvor zurückgekommen. Jedesmal habe ich etwas über mich selbst gelernt und tiefere Schichten beackert.

Diese Zuversicht auch in schweren Zeiten ist wie ein leuchtender Stern in dunkler Nacht. Sie gibt mir Halt und Hoffnung.

Passend zu dieser Stimmung habe ich ein Lied herausgesucht, auf das ich Ende Februar / Anfang März durch einen meiner besten Freunde aufmerksam gemacht wurde. Dazu kommt noch, dass es eine Coverversion ist, die das Original bei weitem übertrifft. Das bedeutet nichts anderes als: Manchmal gibt es eine Chance im Leben, es besser als beim ersten Mal zu machen.

Astræa: You’re Not Alone

Auf der Suche nach dem verlorenen Groove

Genau sechs Jahre ist der Beginn meiner Auszeit heute her. Dass ich noch einmal in dieses Blog schreiben würde, hätte ich nicht gedacht. Die magische Nacht, die mein Leben verändert hat, sie hat ihren Glanz nie verloren. Doch ich habe zugelassen, dass ich mich selbst verliere.

Wie konnte das passieren? Ich hatte tolle Aussichten! Allerdings war das Unvermögen, bei all der Hektik im Leben hier noch etwas zu schreiben, im Rückblick ein frühes Vorzeichen, dass mein Leben wieder außer Balance geraten könnte.

Lange Zeit habe ich nicht gesehen, was falsch lief. Am Ende brauchte es einige unangenehme, einschneidende Ereignisse, um mir darüber klar zu werden, was der Kern des Problems war: Ich habe anderen gestattet, mich schlecht zu behandeln. Es sind also nicht „irgendwelche anderen Menschen“ oder „unvermeidbare Umstände“ daran schuld, sondern vor allem die Angst, beim konsequenten Einstehen für mich von anderen abgelehnt zu werden – als wenn das ein Todesurteil wäre! Zugegeben, evolutionsbiologisch scheint es da tatsächlich einen Zusammenhang zu geben (Ausschluss aus der Gruppe bedeutete nicht nur den sozialen Tod, sondern meistens auch den Tod an sich), aber biologische Hintergründe können allenfalls eine Erklärung, niemals eine Rechtfertigung für Verhalten im modernen Leben sein.

Was derzeit bleibt, ist die Erkenntnis, dass diese Krise nicht so schlimm ist wie die letzte. Ich habe mir früher Hilfe gesucht und Freunde in meine Situation eingeweiht. Letzteres hat mich Überwindung gekostet (die Angst, als „Versager“ zu gelten), aber die Rückmeldung war so unglaublich positiv, dass ich davon fürs erste geheilt sein sollte. Ich erinnere mich an den zähen Weg zurück, der einige Jahre gedauert hat. Das muss sich nicht wiederholen – es ist keine Wiederholung, denn so langweilig ist das Leben nicht.

Dieses Mal habe ich mich selbst mit alten Wunden konfrontiert, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie noch eine Rolle spielen würden. Aber damit das, was einen so lange in Acht und Bann gehalten hat, endlich ruhen kann, braucht es den Mut, sich ihm zu stellen. Das ist die zweite Sache, durch die es anders als beim letzten Mal ist.

Und der dritte Punkt: Ich habe einen Zugang zu meinen Gefühlen gefunden, den ich vorher noch nie bewusst und systematisch hatte. In meinen besten Zeiten schien es, als hätte ich eine Art Superkräfte. Heute weiß ich, dass dies mit Selbstachtung und Selbstvertrauen zu tun hat. Diese innere Kraft, die ich „den Groove“ nenne, habe ich wieder verloren. Ich habe mich selbst so vernachlässigt, dass ich durch Alltag, Pflichten und unangenehme Dinge aufgerieben wurde.

Aber das ist nicht das Ende, sondern nur der Anfang – der Anfang einer Suche. Die Suche nach dem verlorenen Groove! Sie kann das spannendste Abenteuer meines Lebens werden. Und am Ende, wenn ich gegen all die Dämonen gekämpft habe, die mir so lange übermächtig drohten, steht nicht etwa die Rettung einer Prinzessin – sondern die Rettung meiner selbst. Das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. „We shall see the Shire again!“