Ein Held braucht Verbündete

Der Zugang zu meinen Gefühlen ist die Quelle meiner Kraft, die mir den Weg zum verlorenen Groove weisen wird. Den Groove finde ich in mir selbst, so dass die Heldenreise zuallererst eine Reise ins Ich wird. Ich habe mich bereits den Dämonen gestellt und erkannt, dass ich mich zuerst selbst wertschätzen muss und zwar aus mir selbst heraus, nicht von anderen befohlen, bevor ich wieder nach außen strahlen kann.

Das ist kein „entweder-oder“: Ich habe die Energie, die ich letztes Jahr durch externe Validierung bekommen habe, dafür genutzt, um etwas zu tun, das mir gut tut. Ich habe habe etwas Neues ausprobiert und neue Kontakte geknüpft. Dabei habe ich völlig unerwartet Unterstützung bekommen. Und das kam so:

Ich habe an einer Internet-Veranstaltung über Liberating Structures teilgenommen. Diese „befreienden Strukturen“ sind verschiedene Techniken, um die übliche Gruppendynamik beim Finden neuer Ideen zu durchbrechen und dadurch bessere Ergebnisse beim gemeinsamen Suchen von Lösungen zu bekommen.

Das Thema des Abends war: Was sind Deine Ängste? Was hält Dich persönlich davon ab, mehr zu experimentieren?

Als erstes haben alle für sich ihre Ängste aufgeschrieben und danach als Monster gezeichnet. Danach haben wir uns zuerst zu zweit, dann zu viert und schließlich alle zusammen über unsere Ängste ausgetauscht.

Was sich dabei herausstellte: Die meisten Leute teilen dieselben Ängste – auch diejenigen, die besonders offen und experimentierfreudig sind und überhaupt an so einem Abend teilnehmen!

Ich etwa fürchte, dass andere folgendes zu mir sagen, wenn ich etwas ausprobiere:

  1. „Du vergeudest Deine Zeit!“
  2. „Andere erreichen mehr in derselben Zeit!“
  3. „Du bist nicht fokussiert!“
  4. „So eine Mischung aus verschiedenen Dingen, die nicht zusammenpassen, ist schlecht für Deine Karriere!

Letzten Endes sind diese Ängste bei vielen Leuten ganz ähnlich: Es geht um Ablehnung und Abwertung aufgrund dessen, was man sich traut. Vor dem sozialen Tod herrscht eine allgegenwärtige Angst.

Im nächsten Schritt ging es darum, sich gegenseitig Rat zu geben. Dabei kam eine Technik zum Einsatz, die sich Troika Consulting nennt. Ich hatte davon schon gelesen, konnte mir aber vorher nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte. Denn die anderen Teilnehmer haben ja in der Regel keine therapeutische Ausbildung und keinen beruflichen Hintergrund als Berater.

Doch dann kam die praktische Erfahrung: Schon beim ersten Satz, den jemand von den anderen zu meinem Problem sagte, merkte ich, wie er absolut ins Schwarze traf. Drei Ratschläge nahm ich mit, was meine oben beschriebenen Ängste anging:

  1. Suche eine andere Umgebung, wenn man Dich dort, wo Du bist, nicht wertschätzt, wie Du bist.
  2. Was Dein „anders sein“ angeht: Verstecke es nicht, verstärke es!
  3. Suche Dir Gleichgesinnte, mit denen Du Dich austauschen kannst.

Wer hätte das gedacht? Ich konnte gegenüber wildfremden Menschen meine tiefliegenden Ängste äußern, fand heraus, wie normal sie sind, und bekam auch drei sehr konkrete Antworten darauf, was ich machen kann.

Ich bin mit all meinen Ängsten und Eigenheiten viel weniger verrückt, viel normaler, stärker und sozialer, als ich bisher gedacht habe. Eine wichtige Erfahrung, die mir die Augen geöffnet hat!

Allein im Sprung vom Kopf des Löwen wird er sich als würdig erweisen

„Die Suche nach dem Gral ist die Suche nach dem Göttlichen in uns allen.“ – Dr. Marcus Brody, Indiana Jones und der letzte Kreuzzug

Auf der Suche nach dem verlorenen Groove habe ich herausgefunden, dass der Zugang zu meinen Gefühlen mir den Weg weisen wird. Wie ein Held begebe ich mich auf eine Reise und stelle mich dabei einigen dunklen Wahrheiten. Was ich früher nicht erkannt hatte, ist mir jetzt deutlich geworden: Die Reise ins Ich ist entscheidend. Wenn mir diese innere Reinigung gelingt, werde ich stärker als zuvor aus meiner persönlichen Krise hervorgehen.

Es liegt eigentlich auf der Hand: Sein eigenes Selbstwertgefühl von externer Validierung durch Erfolg, durch andere abhängig zu machen, macht einen nicht souverän, sondern anfällig für alle möglichen Störungen von außen. Echter Selbstwert ist das Ergebnis interner Validierung durch sich selbst und muss erfolgen, bevor überhaupt ein äußerer Erfolg kommen und bleiben kann.

Tja, aber wenn das mal wieder so einfach ist, warum wollte ich das so lange nicht wahrhaben und mir stattdessen Liebe und Wertschätzung „erarbeiten“ (was nicht geht)?

Weil diese Wahrheit – wie ich inzwischen begriffen habe – bei mir nur als vergiftetes Geschenk ankam in der Form: „Deine Umgebung lehnt Dich ab und das ist auch nicht zu ändern – aber das darf Dich nicht kümmern; Du musst nur gucken, dass Du Dich selbst trotz allem magst!“ Denn das beinhaltet folgende Zumutung: „Es ist eben nicht möglich, Dich anständig und gleichwertig zu behandeln – da musst Du schon drauf verzichten!“ Das ist eine weitere Variante des falschen „Du oder die anderen“-Denkens.

Auf einen ganz normalen Anspruch auf Respekt und Wertschätzung zu verzichten, hat nichts mit gesundem Selbstvertrauen zu tun, sondern ist ein Zeichen für das genaue Gegenteil davon. Nicht ein Wegducken oder Märtyrertum wird zum Groove führen, sondern ein Einstehen für das, was ich brauche und auch verdient habe.

Mich erinnert das an die Szene aus einem Märchen meiner Kindheit, in der der richtige Prinz dadurch erkannt werden kann, dass er es wagt, schnurstracks auf einem prächtigen Teppich zu seinem Ziel zu reiten und sein Pferd eben nicht darum herumlenkt. Demonstrieren von Selbstbewusstsein ist in vielen Lebenssituationen notwendig und zeigt, dass man zuallererst für sich erkannt hat, der richtige zu sein. Was nach außen strahlt und letzten Endes erfolgreich macht, ist dieser innere Glaube, der seinen Ursprung in einem selbst hat.

Ein Satz, der mir in diesem Zusammenhang im Gedächtnis geblieben ist, lautet: „Allein im Sprung vom Kopf des Löwen wird er sich als würdig erweisen.“ Er stammt aus dem Film Indiana Jones und der letzte Kreuzzug. Ich habe das immer so interpretiert, dass man manchmal einen mutigen Schritt wagen muss, auch ohne klare Zeichen dafür zu sehen, dass man Erfolg haben wird, und dass man nur dadurch zeigen kann, was wirklich in einem steckt.

Im Handbuch zum dazugehörigen Computerspiel gibt es eine Zeichnung, die im Film als Bild an der Wand hängt und die mich immer seltsam berührt hat. Einige Ritter stürzen bei einem Abgrund in den Tod, doch einer scheint fest und sicher in der Luft zu schweben, den Blick auf den Gral gerichtet, der vor ihm schwebt, die Hand nach ihm ausgestreckt. Dieses Bild hing als vergrößerte Kopie einige Jahre an der Wand in meinem Zimmer im Haus meiner Eltern. Heute weiß, was mich daran so ergriffen hat: Dieser Ritter verliert sein Ziel nicht aus den Augen; sein innerer Glaube lenkt ihn und läßt ihn da bestehen, wo alle anderen fallen. Der Gral des Ritters, das ist mein Groove.

Die Suche nach dem Gral als ein Weg zur Heilung ist ein zentrales Motiv in dem Film „König der Fischer„. Der eine Protagonist ist beherrscht von Trauer, der andere zerfressen von Schuld. Der Sieg besteht am Ende nicht darin, dass der zentrale Widersacher, der rote Ritter, gar in echt erschlagen würde – denn dieser ist nur ein Symbol für die inneren Dämonen der Vergangenheit. Die Wende kommt mit der Erkenntnis, was einem wirklich wichtig ist und dem Mut, dafür zu kämpfen.

Die titelgebende Geschichte in der Geschichte handelt davon, dass ein König in jungen Jahren den Auftrag bekommt, den heiligen Gral zu finde, aber durch eine Verletzung schwer krank wird. Seine Mission erreicht er schließlich nicht durch all seine Anstrengungen, sondern dadurch, das zu bekommen, was er braucht – was ihn schließlich heilt und erkennen läßt, dass er dem Gral die ganze Zeit ganz nahe war.

Die Reise ins Ich

Während ich auf der Suche nach dem verlorenen Groove bin, weiß ich bereits, dass ich ihn durch den Zugang zu meinen Gefühlen finden werde. Wenn sie mich leiten, scheine ich Superkräfte zu haben. Dabei habe ich erforscht, warum ich das nicht öfters tue, und mich den dunklen Wahrheiten gestellt.

Ich weiß nun, dass die Ursache für das Schwinden meiner Kräfte ebenfalls in mir selbst liegt: Der Grund ist mein geringes Selbstwertgefühl, das mir von anderen vor vielen Jahren eingetrichtert worden ist und das ich irgendwann übernommen habe.

Damit ist auch klar, warum der bekannte Schwachpunkt die Superkräfte ausschaltet. Wenn mein geringes Selbstbewusstsein „aktiviert wird“:

  1. unterdrücke ich meine Gefühle
  2. vernachlässige ich mich selbst
  3. glaube ich, erst etwas leisten zu müssen, bevor es mir gut gehen kann

Durch Fleiß läßt sich zwar einiges erreichen – aber gewöhnlich nicht alles oder die Spitze (und wenn doch, fühlt es sich leer an). => Das gibt mir keine Energie. => Irgendwann bin ich ausgebrannt. => Energie ist aber für Krisen und schwierige Zeiten notwendig.

Ursache und Wirkung waren anders, genau umgekehrt, als ich es jahrelang gedacht habe: Ich fühlte mich nicht gut, weil mir tolle Dinge passierten – mir passierten tolle Dinge, weil ich mich gut fühlte. Ich konnte mich auf den Moment einlassen und strahlte dadurch etwas aus. Ich wusste, dass ich vorher „in meinem Leben aufgeräumt“ hatte – aber ich dachte, das habe mit harter Arbeit zu tun, ich hätte vorher eben „etwas geleistet“.

Darum war der Weg auch schwer zu erkennen: Ich stürzte mich in Arbeit, dabei ging es mir damit oft gerade nicht sehr gut – und das führte mich noch weiter von dem Groove weg. Die Arbeit (gesteuert durch andere) war ein Zeichen der Selbstvernachlässigung. Dabei ist „sich Liebe erarbeiten“ Quatsch; „nur dann geduldet zu werden“ bedeutet, überhaupt nicht respektiert zu werden. Dieser falsche Glaube, von anderen aufgepropft und schließlich von mir übernommen, hat mir viele Jahre im Weg gestanden. Es tut sehr gut, das endlich zu erkennen.

Das eigene Selbst erkennen ist notwendig, um authentisch zu sein, sich selbst vollständig einzubringen. Der Groove, diese legendäre Kraftquelle, er scheint zum ersten Mal seit langer Zeit zum Greifen nahe. Für diese Suche muss ich nicht an andere Orte, andere Länder reisen, denn diese Reise führt ins Ich.

Die Reise ins Ich“ ist dabei nicht nur ein besserer Filmtitel als das Original „Innerspace“; sie gibt auch eine wichtige Idee des Films wieder, die sehr erwachsen ist: Die zwei Protagonisten sind sehr unterschiedlich, aber sie haben beide ihr Leben nicht im Griff. Durch ihre nicht überwundenen Schwächen stehen sie sich selbst beim Erreichen ihrer Ziele im Weg. Die Lösung besteht darin, dass sie als Person wachsen und Teile ihrer Persönlichkeit zulassen, die sie vorher verdrängt oder nie gewagt hatten. Das halte ich für eine unglaublich attraktive Idee für mich selbst.

Ein Held braucht würdige Gegner

Meine Mission lautet, den verlorenen Groove wiederzufinden. Ich weiß, dass der Zugang zu meinen Gefühlen der Schlüssel dazu ist. Wenn ich in Übereinstimmung mit ihnen handele, fühlt es sich wie Superkräfte an. Dabei habe ich – wie auf dem Weg eines Superhelden – festgestellt, dass sich diese Kräfte bewusst herbeiführen lassen.

Was hat bisher verhindert, dass ich das öfters habe? Zur Entwicklung eines Helden gehört auch, sich den Dämonen zu stellen; auf die Reise zu gehen zu den Orten, „wo die Schatten drohen“.

Zuletzt hatte ich über einige traurige Einsichten auf dem Weg geschrieben:

  • Ich habe Angst vor schlechten Dingen, die mir „einfach so“ ohne weiteren Grund passieren.
  • Ich vernachlässige mich selbst.
  • Ich nehme es als gegeben hin, dass ich so wie ich bin nicht akzeptabel bin.

Doch das war nur der Anfang. Ich stieß in meinem Innern auf einige begrenzende Ansichten („limiting beliefs“), etwa:

  • Dass ich etwas für andere leisten muss, damit es auch mir gutgehen „darf“
  • Dass meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse so erst einmal „nicht ok“ sind, sondern begrenzt werden und nur unter Bedingungen stattfinden dürfen
  • Dass es „gefährlich“ wäre, wenn ich an mich selbst denke

Es ging noch lange weiter… bis ich auf meine eigene innere Stimme kam, die zum Beispiel sagte:

  • „Ich sollte mich nicht grämen, wenn es mir schlecht geht. Ich habe das ja verdient!“
  • „Ich tue mir lieber selber weh – dann müssen es andere nicht mehr machen.“
  • „Ihr müsst mich nicht wegwerfen. Ich mache das schon selbst!“

Alle diese Überzeugungen laufen auf eines hinaus: ein geringes Selbstwertgefühl. Natürlich weiß ich, unter welchen Umständen mir die Idee „Du bist nichts“ so eingehämmert wurde, dass ich sie schließlich verinnerlicht habe. Es ist Jahrzehnte her – und mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr mich das noch im Griff gehabt hatte.

All das war schon erschreckend festzustellen. Gleichzeitig war es notwendig, mir das einmal deutlich vor Augen zu führen, um endlich davon loszukommen.

Diese hinderlichen Überzeugungen habe ich mir irgendwann angeeignet, als sie einen Sinn hatten. Es ist schlimm genug, dass es eimal so war. Heute stehen sie mir dabei im Weg, ein selbstbestimmtes, angstfreies Leben zu führen – das Verprechen der individuellen Freiheit einzufordern, das eine moderne westliche Gesellschaft bietet.

Das ist es also, was meine Kräfte zum Schwinden brachte und mich stets verzweifeln ließ. Das ist die alte Schwachstelle des Helden.

Denn wenn ich mich selbst nicht in Ordnung finde, wie soll ich dann anderen gegenüber authentisch sein? Der verspürte Zwang, etwas leisten zu müssen, ist das perfekte Rezept, um mich selbst zu vernachlässigen.

„Guten Tag, ich will mein Leben zurück (…) Euer Leben zwickt und drückt nur dann nicht, wenn man sich bückt“ – Wir Sind Helden: „Guten Tag“

Jeder braucht Anerkennung – aber wenn es die nur gibt, wenn man sich verstellt oder Teile seiner Persönlichkeit nicht einbringen kann, kann das nicht gesund sein.

„Du musst etwas leisten, damit die anderen Dich akzeptieren“ ist eine völlig falsche Idee. Denn das beinhaltet nie ein Akzeptieren, von Anfang an nicht. Im Gegenteil, da sind Minderwertigkeit und fehlender Selbstwert eingebaut.

Ohnehin ist „die anderen oder Du“ eine falsche Dichotomie. Richtig ist, dass es oft gerade kein Nullsummenspiel ist; die anderen profitieren davon, wenn es mir selbst gut geht. Das war ein Teil meiner Überraschung beim Feststellen des Offensichtlichen, als ich so positive Rückmeldungen über meine Ausstrahlung bekam: Natürlich ist das auch für andere gut!

Ich kann meine Gegner im Geiste klar benennen. Das ist die beste Voraussetzung, um auch aus dieser Krise stärker als zuvor hervorzugehen.

Fehlt nur noch ein wenig Helden-Begleitmusik. Da kommt Power Metal von Freedom Call ganz recht!