Morgen ist es ein halbes Jahr her, dass ich begonnen habe, mich auf die Suche nach dem verlorenen Groove zu machen. In einem Blogeintrag hatte ich den Hintergrund mit Verweisen auf alle Blogeinträge aus Q2/2020 zusammengefasst.
Was habe ich in dem nun endenden Quartal erlebt und gelernt?
Ich habe den Sinn des Zorn erkannt. Angestoßen durch die unbezähmbare Wut, die sich in mir angestaut hatte, habe endlich für Veränderung gesorgt.
Ich habe auf die Zeit vor fünf bzw. zehn Jahren und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede mit meiner heutigen Situation zurückgeblickt – und was ich damals schon begriffen, aber zwischenzeitlich wieder verdrängt hatte. Dazu gesellten sich drei wertvolle Einsichten ebenso wie die Erkenntnis, dass das Leben keinen Sinn haben muss.
Ich sehne mich nach einem Leben in Würde. Dazu gehört, Verletzbarkeit zu zeigen gegenüber den Menschen, denen ich vertraue.
Einer meiner musikalischen Höhepunkte des Sommers war meine Darbietung des Liedes „So viele Sommer„. Kreativität ist einer der wenigen Bereiche meines Lebens, der derzeit nicht brachliegt und in dem ich ganz bei mir selbst bin.
Solche kleinen Erfolge hatte ich auch bitter nötig, denn die große Müdigkeit war allzu oft präsent. Mein oberstes Ziel wird darin bestehen, mich selbst zu retten. Trotz allem habe ich einige Erwartungen an die Zukunft formulieren können.
Passend dazu wurde mir heute ein Lied empfohlen:
Dragon Age Inquisition: „The Dawn Will Come“
Wie heißt es in dem Lied: Die Nacht ist lang und der Weg ist dunkel. Ich musste sofort an „Die Nacht ist vorgedrungen“ denken und reagierte auch genauso: Ich war so gerührt, dass mir die Tränen kamen.
Dieses Lied drückt etwas aus, was ich derzeit fühle – und etwas, das ich brauche. Sehr schön kommt das in folgender Version zum Ausdruck:
Peter Hollens‘ virtueller Chor mit mehr als 500 Leuten
Ja, jetzt sind wir vielleicht in finsterer Nacht. Aber diese Zeit wird nicht für ewig bleiben.
Ich musste an Enyas Lieder aus dem ersten Teil der „Herr der Ringe“-Trilogie denken. Am Ende eines Filmes, der mit bedrückender Stimmung endet, drückt sie in „May It Be“ doch ein Fünkchen Hoffnung aus – auch wenn der Weg noch lang ist. Und in Aníron heißt es sogar übersetzt: „Siehe! Ein Stern erhebt sich aus der Dunkelheit“.
Das ist für mich der entscheidende Unterschied zu „Game of Thrones“, auch wenn beides hochkarätige Fantasy-Produktionen sind. Dort heißt es schlicht „Die Nacht ist dunkel und voller Schatten.“ Eine fesselnde Serie, aber mit überaus düsterer Grundstimmung.
Ich brauche etwas anderes. Wie ich zu Beginn meiner Suche sagte: „We shall see the Shire again!“
Oder wie mir heute jemand schrieb: Jede Reise beginnt mit einem Schritt.
Ich habe für mich eingesehen, dass es keinen Sinn hat, den starken Kerl zu spielen. Ich habe mir sowohl Unterstützung bei meinen Freunden als auch professionelle Hilfe geholt. Am Anfang überwog noch ein Gefühl aus Scham und Schuld, „es nicht alleine geschafft zu haben“, „nicht stark genug gewesen zu sein“ oder gar „die eigene Rolle nicht richtig erfüllt zu haben“. Aber all das ist Unsinn. Die Friedhöfe sind voll von Leuten, die unbedingt alleine stark sein wollten. Die meisten hätten viel länger unter uns bleiben können. Den Tod wird es nicht kümmern, ob wir „uns selbst optimiert“ und unser Leben „höchst effizient“ gelebt haben.
Es ist eine Illusion zu glauben, im Meer des Lebens gäbe es Gewässer ohne Gefahren, man müsse sich nur richtig anstrengen, um sie zu finden. Es ist umgekehrt: Man hat immer noch dort die besten Chancen, wo man die tückischen Strömungen und die Riffe knapp unter Oberfläche kennt.
Ich habe für mich erkannt, dass Verletzbarkeit ein ganz entscheidender Teil meines Menschseins ist. Wer damit nicht zurechtkommt, mit dem sollte ich auch nichts weiter zu tun haben, denn es wäre ein toxisches Verhältnis, das mich nur auslaugen würde.
Ich kann „den harten Krieger“ nicht auf eine Weise verkörpern, die auf Dauer für mich gesund wäre. Und selbst wenn ich es könnte: Ich habe schlicht keine Lust mehr darauf, denn ich finde das unglaublich langweilig.
Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, dass es zum Mannsein gehört, seinen eigenen Weg zu gehen und einen persönlichen Umgang mit allen Gefühlen zu finden – und nicht nur denen, die in der jeweiligen Situation gefordert oder von anderen zugestanden werden.
Sich in allen Facetten zu schätzen, auch denen, die nicht gerade angesagt sind – das ist die wahre Panzerung, der echte Schutz gegen jeden Sturm, der da draußen im Leben toben sollte. Das sei mein Leitmotiv für die Monate, die da kommen werden. Jede Reise beginnt mit einem Schritt.