Ich bin auf der Suche nach dem verlorenen Groove. Drei Blogeinträge fassen jeweils alle Blogeinträge aus einem Quartal zusammen:
Zuletzt habe ich darüber gebloggt, meine Sehnsucht zu bewahren, Wegweiser fürs neue Jahr, den Kurs zu halten, Erkenntnisse, die den Blick verändern, einen Lernerfolg, dass ich die ganze Zeit ok war, Probleme, die tatsächlich Lösungen sind sowie emotionale Intelligenz.
Ian Betteridges Gesetz der Überschriften besagt, dass jeder Titel, der mit einem Fragezeichen endet, mit „nein“ beantwortet werden kann. Es liegt auf der Hand: Wenn die Leute wirklich Fakten oder Beweise hätten, bräuchten sie nicht die Frageform zu wählen. Warum also dann trotzdem ein Blogeintrag zu diesem Thema?
Ich fange mal von vorne an. Zum ersten Mal in Berührung gekommen bin ich mit dem Konzept der Hochsensibilität vor ein paar Jahren, als ich das Buch „Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel?“ von Andrea Brackmann gelesen habe. Darin schreibt sie sowohl über Hochbegabte als auch Hochsensible. Ich fand das sehr berührend.
Erneut auf das Thema gestoßen wurde ich durch eine Empfehlung eines Videos von Sandra Quedenbaum: Wie hochsensible Kinder zu psychisch kranken Erwachsen werden. Das knüpfte hervorragend an das erwähnte Buch an und hat mich ebenfalls tief gerührt.
Dadurch neugierig geworden, guckte ich noch weitere Videos (und entsprechende Artikel) von derselben Autorin. Drei sprachen mich besonders an:
Hochsensibilität einfach erklärt – Merkmale zum Test der Hochsensibilität
Das wichtigste für mich: Hochsensibilität zeichnet sich unter anderem aus durch
- tiefes Denken
- gutes Beobachten
- Kreativität
Das erzeugte einen ersten Widerhall in mir. Stärker wirkte ein Beitrag zur Gefühlswelt:
Hochsensibilität und Gefühle – Was hochsensible Menschen wissen sollten!
Klar, dass mich das interessierte – ich habe mich ja besonders mit meinen Gefühlen befasst. Die Gefühlswelt von Hochsensiblen zeigt sich insbesondere durch:
- intensive Emotionen, dabei Wechseln von Gefühlen innerhalb von Sekunden
- starke Reaktion auf Natur, Kunst und Musik
- nahe am Wasser gebaut durch die tiefe Rührung
Das kam mir so bekannt vor! Aber den stärksten Eindruck hinterließ folgender Beitrag:
Was extrovertierte hochsensible Menschen (HSP) wissen sollten
„Extrovertierte“ hochsensible Personen sind eigentlich ambivertiert, haben also immer auch introvertierte Anteile. Leute aus dieser Untergruppe der Hochsensiblen
- genießen sowohl soziale Kontakte als auch Stunden alleine
- kombinieren tiefes Denken zum Lösen von Problemen mit Empathie
- wirken mitreißend, begeisternd
Ich konnte mir viele Videos der Autorin nicht in einem Rutsch ansehen, weil ich zwischendurch weinen musste. Wie ich inzwischen weiß, ist das ein guter Hinweis darauf, dass mir die Dinge etwas bedeuten.
Dieses letzte Video erzeugte in mir eine ganz merkwürdige Unruhe. Ich war sehr aufgeregt, denn es kam mir alles so vertraut vor! Insbesondere die scheinbar widersprüchlichen Qualitäten (tiefes Denken, intensives Fühlen; Geselligkeit und der Wunsch, allein sein zu wollen), die es so schwer machen, sich selbst einzuordnen, und die offensichtlich erklärt werden und mit einem Begriff benannt werden können!
Erst in den letzten Tagen bekam ich als Rückmeldung, dass ich, wenn mich ein Thema interessiert, ich dafür zu brennen scheine und das auf andere überspringt. Das erinnerte mich sehr stark an die Gelegenheit, bei der ich den Groove sehr deutlich gespürt habe.
Ist also der richtige Umgang mit „extrovertierter Hochsensibilität“ der Weg zurück zum Groove? Er scheint jedesmal so unglaublich nahe zu sein, wenn ich an das Thema denke, und ich habe dann immer das Gefühl, wieder ganz bei mir selbst zu sein, und das schon seit Tagen!
Doch Vorsicht, nicht zu eilig! Welche Gründe sprechen dagegen? Jetzt komme ich auf die Überschrift zurück…
Ein häufiger Irrtum beim Lesen von Texten rund um Psychologie ist, sich sehr schnell in bestimmten Mustern wiederzufinden. Alles, was nicht passt, wird einfach ausgeblendet (so funktioniert grundsätzliche Mustererkennung bei Menschen). Ohne genaues Nachprüfen kann das schnell dahingehend kippen, dass es die Aussagekraft von Astrologie bekommt: Wenn es nur allgemein genug formuliert ist (oder man es flüchtig genug liest), wird irgendetwas immer zutreffen, man füllt dann nur die Lücken auf. Mein wichtigster Einwand dagegen ist, dass z.B. allgemeine Texte über Introvertierte (etwa das sehr lesenwerte Buch „The Introvert Advantage“ von Marti Laney) in einiger Hinsicht sehr gut passen, in anderer hingegen kaum oder gar nicht. Diesmal jedoch ist es erschütternd zutreffend, und das ist sehr, sehr selten.
Zum zweiten ist das Konzept der Hochsensibilität noch nicht wissenschaftlich bewiesen. Sandra Quedenbaum weist darauf explizit hin (sehr seriös!) und hat einen sehr guten Einwand: Wenn Hochsensibilität als Erklärungsmodell taugt, um Menschen zu helfen, dann ist sie als Konzept auf jeden Fall nützlich.
Drittens habe ich Hochsensibilität bisher oft in sehr negativem Zusammenhang erlebt, in etwa:
- „Ich bin eine HSP und daher ein ständiges Opfer meiner überdeutlichen Sinneswahrnehmung.“
- „Ich bin eine HSP, deswegen muss ich nichts tun, selbst wenn das andere im Umgang mit mir immer wieder vor Herausforderungen stellt.“
- „Ich bin HSP, also besser als andere!“
Umso erleichterter bin ich darüber, dass Sandra Quedenbaum einen sehr erdenden Beitrag dazu verfasst hat:
Warum es uns schwächt, wenn wir die Hochsensibilität idealisieren
Interessant ist es, Hochsensibilität weder als „Fluch“ noch als „Superkraft“ zu sehen, sondern als Gabe, die evolutionär einen Sinn hatte und heute richtig angewandt werden muss. Der entsprechende Umgang muss und kann gelernt werden!
Die genannte Herausforderung bei einem extrovertierten Hochsensiblen besteht darin, eine Balance zwischen den introvertierten und extrovertierten Anteilen der Persönlichkeit zu finden und sich in den extrovertierten Phasen nicht zu übernehmen und zu verausgaben. Das kommt mir so bekannt vor! Als eine weitere wichtige Fähigkeit wird genannt, eine gute Selbst- und Fremdwahrnehmung zu entwickeln. Das war erst letzte Woche mein Thema beim Bloggen!
Es spielt also letzten Endes keine Rolle, ob sich das Konzept der Hochsensibilität in naher Zukunft beweisen läßt und ob ich das bin, worauf sehr viel hindeutet. Entscheidend ist, dass die dazugehörigen Wegweiser, was ich tun muss, damit sich meine Persönlichkeit erfolgreich und angenehm entfalten kann, mir nützen. Das scheint auf jeden Fall so zu sein, und darum finde ich das, was ich gelernt habe, so wertvoll!
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