Ich bin auf der Suche nach dem verlorenen Groove. Fünf Blogeinträge fassen jeweils alle Blogeinträge aus einem Quartal zusammen:
Zuletzt habe ich hoffnungsvoll über die bessere Jahreshälfte gebloggt sowie darüber, endlich wieder unterwegs zu sein, meine besten Freunde wiederzusehen, Jahrestage und Phantomschmerzen, was ich bin und was nicht, wie die Energie langsam zurückkommt sowie die Frage, wo ich hingehe.
Dieselbe Person, die mich seinerzeit auf das Lied The Dawn Will Come aufmerksam gemacht hat, hat mich zu einer Frage angeregt. Die Idee, darüber zu schreiben, schleppe ich seit Wochen, wenn nicht Monaten mit mir herum – warum also nicht?
Ab wann ging es eigentlich schief in meinem Leben?
Ich hätte mich das früher gar nicht getraut, öffentlich zu fragen, weil ich Angst hatte, als „zu sehr in der Vergangenheit verhaftet“ oder „grübelnd“ zu wirken. Ich glaube jedoch inzwischen, dass es sehr nützlich für mich ist, diese Frage zu stellen und zu beantworten. Mir ist die Antwort auch recht schnell klar geworden, ohne dass ich wehmütig zurückblicke.
Seit der 2. Jahreshälfte 2000 ist mein Leben aus dem Ruder gelaufen.
Egal, was ich danach noch für Hochphasen hatte: Im wesentlichen hatte ich den Eindruck, den allgemeinen Erwartungen hinterherzulaufen, nicht das zu schaffen, was ich zu leisten hätte, „nicht gut genug zu sein“. Ich war viele Jahre außer Atem und verzweifelt, weil ich scheinbar meinen Platz im Leben nicht fand.
Mir ist erst in diesem Jahr so richtig klar geworden: Wer mir jetzt noch nichts zutraut, wer tatsächlich glaubt, ich müsste noch etwas beweisen oder erst etwas leisten, bevor ich ok wäre, dem ist nicht zu helfen. Ich habe viel zuviel Zeit damit verplempert, Angst vor negativen Beurteilungen zu haben (die auch tatsächlich kamen und mich vor anderen entwertet haben!) und mich für irgendwelche unrealistischen Maßstäbe anderer Leute abgestrampelt.
Ich sehe mit dem Abstand von heute viel klarer, was für ein absoluter Dreck es ist, dass jungen Absolventen von der Uni durch die Bank nichts zugetraut wird und man sie gerne mit schlechtbezahlten befristeten Stellen zappeln läßt. Ich gehörte zu den ersten Vertretern der Generation Praktikum. Solange das passiert, brauchen wir über einen „Fachkräftemangel“ nicht zu reden!
Ich erinnere mich aber auch daran, wie mich schon zu Teenagerzeiten einige Leute für voll genommen und mir einen Vertrauensvorschuss gegeben haben. Diese Erfahrung habe ich nie vergessen und bin noch heute sehr dankbar dafür! Das möchte ich am liebsten zurückgeben und wo ich es kann, tue ich es auch. Ich glaube nicht, dass es Jugendlichen und jungen Erwachsenen gut tut, systematisch mit Misstrauen begegnet zu werden.
Das ist die eine wichtige Lehre aus der Zeit: Es selbst besser machen. Die andere lautet: Es kann mir völlig egal sein, was andere denken.
Bevor mein Leben zwei Jahrzehnte lang fast durchgehend so fremdbestimmt wurde, durchlebte ich Anfang 2000 eine Phase, die zu den besten Zeiten meines Lebens gehörte. Ich erinnere mich an eine Begebenheit in einer Kneipe in Catania, als eine Diskussion über das neue Lied von Madonna – eine Coverversion – aufkam. Damals fand ich das Lied gar nicht so beachtlich, aber durch dieses Erlebnis hat es sich in mein Gedächtnis eingebrannt.
Madonna: American Pie
Es gab eine Zeit, da habe ich mich über mich selbst erschreckt, wenn ich mich auf alten Fotos aus dieser Zeit gesehen habe und mich daran erinnerte, wie frei und zuversichtlich ich damals gewesen bin – und was aus mir geworden ist: Ein veränstigter, tief verunsicherter Mensch, der sich mehr als einmal freiwillig in geistige Knechtschaft begeben hat.
Aber das ist nicht das Ende meiner Lebensgeschichte – sondern ein Wendepunkt! So schrecklich die Ketten sind, so herrlich ist das Gefühl gesprengter geistiger Ketten.
Ich glaube, dass es mir gut tun wird, Frieden mit meiner Vergangenheit und mit mir selbst zu schließen. Ich verstehe inzwischen auch, warum ich soviel Krempel angesammelt habe: Ich hatte immer Angst, das Vergangene nicht hinreichend zu ehren und dadurch „nicht würdig“ für ein glückliches Leben zu sein. Diesen psychischen Widerstand zu verstehen ist ein wichtiger Schritt, um die Operation Augias voranzutreiben und letztendlich wieder glücklich zu werden.
Letztes Wochenende war ich wieder in Köln. Diesmal bin ich 18 Bücher über einen Öffentlichen Bücherschrank losgeworden (siehe Bookcrossing). Mit Büchern hatte ich seinerzeit die Operation Augias begonnen. Zeit, in kleinen Schritten weiterzugehen!