Sizilien – Malta – Berlin

Io, vagabondo che son io
Vagabondo che non sono altro
Soldi in tasca non ne ho
Ma lassù mi è rimasto Dio
– I Nomadi & Claudio Baglioni: Io Vagabondo

Ich bin auf der Suche nach dem verlorenen Groove. Zehn Blogeinträge fassen jeweils alle Blogeinträge aus einem Quartal zusammen:

Zuletzt habe ich darüber gebloggt, dass der Morgen nahe ist, wie ich an meinem Geburtstag endlich wieder unterwegs war sowie die Rückkehr nach Catania.

Nachdem ich eine fantastische Rückkehr zu einem Ort meiner Vergangenheit erlebt hatte, war es nun Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen. An meinem Abreisetag regnete es, so dass ich den Eindruck hatte, nichts in Catania zu verpassen. Allerdings wäre ich in den nächsten 24 Stunden sicher ein Dutzend Male beinahe ausgerutscht auf dem nassen, glatten Steinuntergrund.

Ich hatte reichlich zeitlichen Puffer für meine Reise geplant, da ich Anfang 2000 eine unschöne Erfahrung in Milazzo hatte. Die erste Aufgabe bestand an diesem Tag darin, eine Fahrkahrte für den Bus nach Pozzallo zu kaufen. Das war erstaunlich einfach, da es einen Schalter in Bahnhofsnähe gab, der auch geöffnet war. Ich hatte den frühen Nachmittag angepeilt, schaffte aber noch den Bus um 11:00 Uhr. Erneut wäre ich verratzt und verloren gewesen ohne Italienischkenntnisse, denn die Zielorte der Busse stimmten nicht mit dem überein, was auf ihnen draufstand. Letzten Endes stellte sich heraus, dass ich den Bus nach Noto nehmen und dann am Flughafen von Catania umsteigen musste.

In Pozzallo angekommen, schüttete es immer noch, so dass ich in der Bar Amunì an der Tankstelle bei der Bushaltestelle zwei Espresso trank. Hier konnte ich mich dann gleich erkundigen, wo ich die Rückfahrkarte kaufen konnte (denn das ging nicht gleich in Catania): Cartoleria Blanco direkt auf dem Weg zum Hafen, allerdings um diese Uhrzeit noch geschlossen.

Als der Regen etwas abflaute, machte ich mich auf den Weg, denn ich musste noch für die Fähre einchecken und wusste nicht, wie schwierig das werden würde. Auf den schmalen abschüssigen Gehwegen mit dem Koffer bei Regen war das nicht immer leicht. Die Autofahrer überraschten mich positiv, indem mindestens ein halbes Dutzend langsamer wurde und so nicht den Inhalt der Pfützen auf mich spritzte. In der Nähe des Strandes fand ich einen Pavillon, in dem ich erst einmal eine Pause einlegte. Hier hielt dann sogar ein Autofahrer und fragte, ob er mich mitnehmen könnte. Nach etwa einer Stunde hörte der Regen auf und ich ging zum Schaltergebäude am Rande der Ortschaft. Es stellte sich heraus, dass das Einchecken kein Problem war, in 5 Minuten war ich durch und hatte vor allem bereits die Boardingkarte für die Rückfahrt.

Ich hatte noch einige Stunden Zeit totzuschlagen – ein Problem, das ich sehr gerne hatte – und ging daher weiter zum eigentlichen Hafen. Als ich das Schild mit dem Hinweis auf die Fähre sah, da fühlte ich mich für einen Augenblick wie zu Beginn meiner Auszeit, als ich mein erstes neues Land betrat. Ich war auf dem Weg, aus den bekannten Wegen auszubrechen. Und diesmal schwang keine Traurigkeit mit; ich war aufgeregt.

In einer Bar am Hafen brachte ich einige Stunden zu, aß und trank ein wenig und kaufte Bonbons als Souvenir. Die Fähre fuhr um 20:30 Uhr ab. Es war eine ruhige Überfahrt. Meine Ankunft war dann deutlich weniger glorreich als die Vorfreude es hätte erwarten lassen. Ich war spätabends am Hafen von Valletta und musste in die Stadt. Da ich den Taxifahrern nicht traute, ging ich den Weg zu Fuß – 28 Minuten laut Wegbeschreibung. Ohne zwei andere Touristinnen, die ebenfalls die Fähre genommen hatten und zumindest einen Teil des Weges gehen wollten, hätte ich es nicht gefunden, da es zwischendurch eine Treppe für Fußgänger gab, die ich übersehen hätte. Ich war gut durchgeschwitzt, als ich am SU29 Hotel Valletta ankam. Aber immerhin: Ich hatte nicht noch einmal durch die Stadtmitte mit ihren vielen Treppen gemusst und bekam sogar unerwartet ein besseres Zimmer als gebucht!

Das Hotel hatte mir vorher einen Stadtplan mit einigen Sehenswürdigkeiten geschickt, den ich am nächsten Morgen verwendete, um einen ausgiebigen Rundgang zu unternehmen. Neben einigen klassischen Aussichtspunkten stellte sich für mich vor allem ein Gebäude als Höhepunkt heraus, das ich zufällig gefunden hatte: Das Valletta Design Cluster, das mehrere Räume für kreative Arbeit hatte und in dem man sich einfach so umsehen durfte. Insbesondere die Dachterrasse hat es mir sehr angetan.

Nun war die Zeit gekommen, mein Kauderwelsch-Buch Maltesisch einzusetzen! Es war eines der Sprachbücher, das ich seit Anfang Januar 2020 hatte und das erste, das ich nun tatsächlich benutzte. Ich kaufte ein Geschenk für mich selbst. Die Verkäuferin strahlte, als ich nur ein paar Sätze Maltesisch sagte. Damit war der Tag bereits ein Erfolg.

Am frühen Nachmittag war es Zeit, etwas zu essen. Ich fand heraus, dass The Bagel Hole direkt um die Ecke meines Hotels war. Von außen war er mir vorher gar nicht aufgefallen. Allerdings hatte eine Touristin den Eingang fotografiert und dann auch noch freundlich Platz gemacht, als sie sah, dass ich vorbei wollte. Hier kehrten also nette Leute ein! An der Theke sprach ich mit weiteren Einheimischen über Maltesisch.

Dann setzte ich meinen langen Spaziergang fort und ging unter anderem einmal bis zum Hafen und zurück, nur um mir den Weg zurück einzuprägen. Neben all den schönen Plätzen stachen mehrere Orte heraus, in denen an Daphne Caruana Galizia erinnert wurde, eine Journalistin, die 2017 mit einer Autobombe ermordet worden war. Auf einem der zentralen Plätze gab einen Infostand mit großen Postern, die auf Maltesisch viel Hintergrund erklärten.

Catania war bei rund 30 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit noch wie Hochsommer. Valletta fiel ganz ähnlich aus, und nach dem etwas kühleren Tag mit Regen war ich nun wieder mitten im Sommer. Und ich hatte gedacht, ich hätte vorsichtig geplant mit meinen T-Shirts – von wegen! Am Abend war ich gut platt.

Ich suchte ein Restaurant und fand das Old Bakery’s. Das Nudelgericht enthielt lokale Zutaten und machte gut satt, weil unter den Nudeln noch ordentlich Fleisch dabei war. Auch wenn ich nicht alles auf Maltesich ausdrücken konnte, reagieren die Kellner verzückt auf alles, was ich sagte.

Eigentlich wollte ich früh ins Bett gehen, aber aus einer Straße neben meinem Hotel erklang Musik, die offensichtlich nicht von der Konserve stammte. Neugierig ging ich hin. Es war ein Jazz-Duo bestehend aus Sängerin und E-Bassist. Ich hörte ihnen eine ganze Weile zu und kam, als sie eine Pause machten, mit ihnen ins Gespräch. Die Sängerin war aus Litauen, der Bassist aus Malta.

Mit diesen tollen Eindrücken ging ich dann ins Bett, denn die Nacht sollte kurz werden: Um 5 Uhr morgens klingelte der Wecker, um 5:30 Uhr machte ich mich auf Richtung Hafen. Meine Fähre ging um 7:30 Uhr, man musste spätestens eine Stunde früher da sein und ich hatte einen Puffer von einer halben Stunde geplant. Das stellte sich nach meinen Vorbereitungen als kein Problem heraus.

So traurig ich war, Malta schon wieder verlassen zu müssen, so sehr freute ich mich auf einen weiteren Tag in Catania. Als die Sonne aufging, lag die Fähre zwar noch im Hafen, aber zumindest von der Morgenstimmung auf See konnte ich einige schöne Fotos machen. Jetzt trudelten die ersten Glückwünsche ein, denn es war mein Geburtstag. An einen früheren Geburtstag in zwei verschiedenen Ländern konnte ich mich nicht erinnern.

Zurück in Pozzallo ging ich den Weg zurück vom Hafen in den Ort und holte mir tatsächlich die Busfahrkarte in dem Schreibwarenladen, der mir vor zwei Tagen empfohlen worden war. Da ich außerdem wusste, wo die Bushaltestelle für die Fahrt zurück war, hatte ich Zeit, in einer Bar zwei Espresso zu trinken. Um 11:30 ging es zurück nach Catania.

Diesmal hatte ich das Mavà gewählt, das sich an der Viale XX Settembre befindet und damit am nördlichen Teil der Via Etnea und nicht weit entfernt vom Oberdan, in dem ich seinerzei als Erasmusstuden gewohnt hatte. Hier begrüßte man mich sehr herzlichen mit einem Espresso. Durch die Lage der Unterkunft war auch das Savia sehr nahe, in dem ich eine granita caffè mandorla und ein Arrancino genoss. Das alleine sorgte bereits für ein Hochgefühl. Nun ging es auf zum Strand, denn das war das eigentliche Ziel des Tages. Ich ließ alle Wertgegenstände im Hotel, so dass ich von dem Ausflug keine Fotos habe.

An meinem 23. Geburtstag, als ich halb so alt war wie heute, war ich zum Schwimmen an den Strand mit den Lavafelsen gegangen. Diesmal wollte ich den Sandstrand wiedersehen. Es gibt in Catania mehrere kostenlose Strände, allerdings muss man dafür mit dem Bus fahren. Die Saison war lange vorbei, selbst der Kiosk war schon abgebaut, aber eine Handvoll Urlauber fand sich dort noch. Es war deutlich sicherer, als ich gedacht hatte. Um die Stunde meiner Geburt herum badete ich im Meer, das sogar wärmer war, als ich erwartet hatte. Tagesziel erfüllt!

Abends ging ich erneut ins Sazi e Sani, gönnte mir eine Pizza und diesmal den Cannolo mit Ricotta aus Büffelmilch, so wie er ursprünglich in der Gegend um Ragusa gemacht wird. Was soll ich sagen? Das war der beste Cannolo, den ich je gehabt habe!

Am nächsten Morgen genoss ich ein ausgiebiges und leckeres Frühstück, auch wenn ich natürlich traurig darüber war, nun endgültig aus Catania abzureisen. Im Fernsehen sah ich diverse Musikvideos. Die üblichen Sachen – leicht bekleidete, sich räkelnde Frauen – interessierten mich nicht weiter. Was meine Aufmerksamkeit erregte, war ein Konzert mit unglaublich großem Publikum, in dem ein alter Mann die Menge begeisterte und auch jede Menge junge Leute mitsangen. Das war doch mal eine Vision, was ich selbst gerne erreichen möchte! Es müssen auch keine Massen sein. In dem Lied erzählt der Sänger, dass er ein Vagabund sei, dem zumindest Gott geblieben sei. Das fand ich auch sehr passend für mich mit meinem Reiseplänen.

I Nomadi & Claudio Baglioni: Io Vagabondo

Erneut regnete es an meinem Abreisetag. Ich erreichte den Flughafen ohne Probleme und gönnte mir noch zwei Comics auf Italienisch. Es ging jedoch nicht etwa zurück nach Amsterdam, sondern nach Berlin! Von Flügen abgesehen, war ich seit acht Jahren nicht mehr in Berlin gewesen – seit meiner Auszeit. Ich kam am ibis Berlin Hauptbahnhof unter. Ich war gut müde von der Reise, gönnte mir jedoch zumindest einen Spaziergang am Alex beim Fernsehturm.

Am Freitag fand das Agile Learning Lab Berlin statt, das ich seit zweieinhalb Jahren virtuell besucht hatte und das nun endlich wieder einmal physisch stattfand. Ich habe von den früheren Veranstaltungen soviel Energie und Ideen für meine Arbeit, aber besonders für mein persönliches Wachstum mitgenommen, so dass ich es jetzt unbedingt erleben wollte. Ich teilte mehrere Kilos niederländische Schokolade und andere Süßigkeiten aus, freute mich darüber, endlich einige Leute „in echt“ zu treffen und auch neue Gesichter kennenzulernen. Am Ende spielte ich Ukulele. Von der Veranstaltung gibt es ein sehr kurzes Video, in dem eine Teilnehmerin erklärt, wie es abläuft:

Danach ging ich mit einigen der Teilnehmer ins Hackethals zum Essen. Nach fast einer Woche Mittelmeerküche war ein typisch deutsches Essen etwas Besonderes für mich. Nach dem Abendessen unterhielten wir uns noch lange vor dem Lokal.

Am nächsten Tag besorgte ich Schokolade und andere Süßigkeiten im Weltladen Pankow. Hier bekam ich freundlicherweise zur Begrüßung eine kostenlose Tasse Kaffee angeboten! Umgekehrt kaufte ich auch ordentlich ein, denn diese Schokolade ist in den Niederlanden nicht erhältlich.

Dann traf ich mich mit einem Exkollegen und seiner Frau, die ich zuletzt vor acht Jahren gesehen hatte. Was tat es gut, sie wiederzusehen!

Abends gönnte ich mir ein Burgermenü am Alex und traf mich dann mit einem der Teilnehmer des ALL Berlin, um vom Hauptbahnhof über das Brandenburger Tor bis zum Fernsehturm zu spazieren.

Am nächsten Morgen ging dann mein Zug zurück nach Amsterdam und damit ein Urlaub in drei Ländern zuende. Was habe ich alles erlebt in 8 Tagen: Orte und Menschen aus meiner Vergangenheit, ein neues Land, Ideen für die Zukunft…

In der Woche danach holte ich mir eine Auffrischungsimpfung (diesmal in Amsterdam). Aber viel wichtiger: Ich habe das alles hier aufgeschrieben, während ich wieder unterwegs bin – in einem neuen Land. Davon erzähle ich nächste Woche.

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