Ich bin auf der Suche nach dem verlorenen Groove. Zwei Blogeinträge fassen jeweils alle Blogeinträge aus Q2/2020 und alle Blogeinträge aus Q3/2020 zusammen. Zuletzt habe ich gebloggt über Lieder, die mich durch die Nacht bringen, das neue Lebensjahr, vom Sinn des Staunens, was dieses Blog hier wird (und was nicht), die eigene Aufgabe zu erkennen sowie über ein erstaunlich tiefgründiges Lied von Sasha.
Heute möchte ich mich einem Thema widmen, das mich schon länger beschäftigt: Glaube und Zweifel.
Denn was mir zuletzt passiert ist, das hat meinen Glauben an viele Dinge erschüttert. Aber auch der Glaube an mich selbst ist seit längerer Zeit angekratzt – zuerst, weil ich aus allen Wolken fiel, als mir schlechte Dinge passierten, dann weil ich dachte, dass ich „nicht gut genug“ sei, schließlich gerade weil ich erkannt habe, dass ich manches nicht absehen konnte. Wie kann man mit einer solchen Unsicherheit zuversichtlich sein?
Ich habe – wie schon früher – einen Rat bekommen, den ich so nicht annehmen konnte:
„Du musst zuerst an Dich selbst glauben.“ bzw. „Wenn Du nicht an Dich selbst glaubst, wird es niemand anders tun.“
Ich habe mich immer dagegen gesperrt – und ich kann jetzt auch benennen, warum: Es kommt bei mir an als „Leistung, die ich zuerst erbringen muss“, bevor man mich überhaupt anständig behandeln kann. Vorher wäre es ja natürlich, mich grundsätzlich anzuzweifeln.
Das ist aber – wie schon bei Selbstwertgefühl und Selbstliebe – ein vergifteter Ratschlag. Tatsächlich wäre es richtig gewesen, auf meine Zweifel zu hören, denn sie waren eng mit meinen Gefühlen verbunden, insbesondere mit Angst. Dieses „Du musst Deine Gefühle unterdrücken, anders können wir nicht mit Dir zurechtkommen“ war überhaupt erst das, was mich so tief in die Krise geritten hat!
Doch kürzlich habe ich eine gute Antwort darauf bekommen. Popkultur kann falsch liegen, hier jedoch stimmte die Botschaft!
Nach dem Lied „The Dawn Will Come“ sagt die Priesterin (oder Seherin?) im Computerspiel „Dragon Age: Inquisition“ noch etwas. Es gibt verschiedene Varianten, aber eine ist ganz besonders:
„Faith is only made stronger by facing doubt. Untested, it is nothing.“
Das finde ich unheimlich ansprechend. Wirklicher Glaube entsteht nicht dadurch, indem man seine Zweifel einfach wegdrückt, sondern indem man sich ihrer bewusst wird und sich eine Zeit lang mit ihnen beschäftigt. Wie wichtig der Zweifel zum Glauben ist, dafür gibt es selbst in der Bibel Beispiele:
Jesus, der im Garten Gethsemane betet. Jesus, wie er 40 Tage in der Wüste lebt. Jesus, der Petrus aus dem Wasser zieht, als dieser zu ertrinken droht. Gerade das letzte Bild bringt mich immer wieder zuverlässig zum Weinen. Das ist, wie ich erkannt habe, ein guter Hinweis darauf, dass ich eine tiefe Verbindung dazu habe. Nicht weggeworfen zu werden, weil man zweifelt, weil man Grenzen hat, weil man strauchelt – das ist eine großartige Vision für die Welt.
Egal, wie oft ich hier eine positive Erkenntnis schildere oder von einem Schritt voran schreibe: Ich habe viele Zweifel. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich ein komplett geschlagener Mann bin. Gleichzeitig denke ich nicht, dass die Lösung darin liegen wird, das alles auszublenden oder zu überwinden. Denn mich auch diesen Gefühlen nicht zu widmen hat mich überhaupt erst in diese Lage gebracht. Wie könnte mich das also jemals wieder herausführen?
Es ist umgekehrt: Das richtige Maß an Zweifel drückt ein gesundes Verhältnis zu den eigenen Gefühlen aus.
„Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst – aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kenne keine Zweifel.“ – Erich Fried