Dreiländereck de-fr-lu

Im ersten Teil: „Wie komme ich nach Luxemburg?“
Im zweiten Teil: „Das gehört in ein Museum!

Nach dem Museum war das Wetter sonnig und warm. Daher bekam ich spontan Lust, zu Fuß nach Frankreich zu gehen. Der nächste Ort, Contz-les-Bains, liegt etwa 5 km entfernt. Nun ist der Rand einer Straße sicher nicht der angenehmste Weg, aber die umgebende Landschaft war zumindest sehr schön. Außerdem war es ein Riesenspaß, auf Schusters Rappen an einem Tag und in einem Rutsch drei Länder besucht zu haben.

Contz-les-Bains erwies sich dann als kleiner, verschlafener Ort, der aber ebenfalls an der Mosel liegt (auf der anderen Seite einer Biegung). Ich überlegte, die Mosel zu überqueren und in einem großen Bogen über Frankreich zurück nach Deutschland zu gehen, aber die Strecke erschien mir doch etwas weit und ich wusste nicht, ob ich überhaupt überall zu Fuß durchkommen würde. Gerne hätte ich mich in Contz-les-Bains noch in ein Café gesetzt, aber das einzige, das ich gefunden habe, war geschlossen. Es trug den symbolhaften Namen „Café de la frontière“ und lag ganz am Anfang des Ortes Richtung Grenze.

Also ging ich zurück nach Luxemburg und kehrte in Schengen in ein Café ein, das sich ganz in der Nähe der Brücke befindet. Hier bekam ich dann Original Luxemburger Leben geboten. Die Bedienung und die Gäste an der Theke sprachen Französisch, die Gäste an den Tischen jedoch Lëtzebuergesch. Während ich ein kleines Mittagessen einnahm und meinen Koffeinpegel auf das gewohnte hohe Niveau zurückbrachte, hatte ich ausreichend Gelegenheit, zuzuhören. Es gab sogar kostenloses Internet, das ich – nur aus Spaß – auch kurz benutze.

So gestärkt, ging ich über die Brücke zurück nach Deutschland und folgte der Straße nach Süden, um diesmal von Deutschland aus nach Frankreich zu gelangen. Es war mir am Tag zuvor gar nicht bewusst gewesen, dass das Dreiländereck genau hier war; ich hatte es etwas weiter im Südwesten vermutet und gedacht, Schengen wäre nur „am nächsten dran“ auf Luxemburger Seite. Die nächste Ortschaft hinter der deutsch-französichen Grenze heißt Apach (kleiner Flachwitz: ich nehme an, die Einwohner sind die Apachen). Auch hier dasselbe Bild wie in Frankreich auf der anderen Seite der Mosel: Ein kleiner Ort, der offensichtlich kein geöffnetes Café besitzt, nur ganz am Anfang der Ortschaft ein geschlossenes „Café de la frontière“. Der Durchgangsverkehr schien mir in Apach jedoch stärker zu sein. Unverständlich blieb mir, warum die deutsche Bahnstrecke in Perl endet und die französische in Apach (und selbst dort kämpft man darum, den Anschluss nach Thionville nicht zu verlieren, wie ich einem Transparent am Rathaus entnahm). Das wäre doch ideal für eine malerische Europareise entlang der Mosel! Da ich die Hoffnung auf einen Kaffee in Frankreich noch nicht aufgeben wollte, ging ich den ersten Teil der Strecke Richtung Sierck-les-Bains, aber die Straße hatte kaum Ausweichmöglichkeit an den Seiten und die schnell vorbeibrausenden Autos wurden mir dann doch zu unheimlich, zumal es noch einmal mehr als 2 km gewesen wären. Also drehte ich um und konnte auf einer anderen Straße von Apach aus direkt nach Perl zurückgehen. Insgesamt erschienen mir die französischen Ortschaften die vergleichsweise ärmsten zu sein; in Luxemburg standen überall recht große Schlitten und die Häuser waren luxuriös; in Deutschland zeigte man zumindest Wohlstand.

Ein ehemaliger Mitabiturient, der als Pilot in Luxemburg arbeitet und in der Nähe wohnt, hatte mitbekommen, dass ich in der Gegend war. (Es hatte sich gelohnt, ein an sich völlig triviales Foto vom Schild im Trierer Hauptbahnhof ins Internet zu stellen. Soviel zum Thema „Solche Fotos interessieren keinen“!) So gab es am nächsten Tag dann noch ein unverhofftes Wiedersehen. Es sind diese kleinen Zufälle im Leben, die soviel Freude bereiten.

Fazit dieser ersten Reise ins Ausland: Luxemburg ist in jedem Fall einen Besuch wert, Lëtzebuergesch ist eine schöne Sprache und in Perl würde ich jederzeit wieder übernachten.

Schengen und Europa

Im ersten Teil: „Wie komme ich nach Luxemburg?

Am nächsten Morgen war es kalt und bewölkt. Ideal, um in das Museum zu gehen!

Zunächst machte ich draußen noch einige Fotos von den Monumenten, die leider durch Bauarbeiten rundherum nicht ganz so leicht zu knippsen waren. Bewegend war es, das Stück der Berliner Mauer zu sehen, das aus gutem Grund hier aufgestellt wurde. Ich erinnere mich noch gut an 1989…

Im Museum selbst lernte ich tatsächlich einige spannende Details rund um das Schengener Abkommen: Die Initiative war von Deutschland und Frankreich ausgegangen und die Benelux-Staaten hatten schnell Interesse signalisiert. Es war absichtlich zunächst nur für diejenigen Länder gedacht, die sich beteiligen wollten, da man nicht davon ausging, mit sämtlichen EU-Ländern sofort eine Einigung zu erzielen. Luxemburg hatte zu jener Zeit des Ratsvorsitz inne und Schengen wurde wegen seiner symbolischen Lage im Dreiländereck ausgewählt. Besonderen Widerstand gab es aus den jeweiligen Innenministerien, aber auch aus dem Wirtschaftsressort, weil die Zöllner um ihre Arbeit fürchteten. Es gab unter den Politikern damals nur sehr wenige Befürworter für offene Binnengrenzen und eine Handvoll Leute musste die gesamte Arbeit koordinieren. Zur Unterzeichnung schickte man „die zweite Garnitur“. Diese Leute waren jedoch von der Wichtigkeit des Abkommens (das eigentlich zwei sind) überzeugt! All das hätte das Zeug zu einer spannenden europäischen Geschichte.

Allerdings wurden auch die Schattenseiten nicht ausgespart: Dass durch den Schengenraum die Außengrenzen umso stärker gesichert werden, was zu dem Phänomen „Festung Europa“ geführt hat, das nicht im Sinne des Abkommens gewesen ist. Den Teil über den Grenzsicherungsdienst „Frontex“ habe ich mir bewusst gespart. Aus meinem Freundeskreis weiß ich, wie sehr man sich als Mensch zweiter Klasse fühlt, wenn man sich ständig für ein Visum abstrampeln muss. Es wirkt unglaublich ignorant, die eigene Reisefreiheit als selbstverständlich anzunehmen.

Eine weitere Sternstunde des Schengener Abkommens brach 2008 an, als eine Reihe ehemaliger Ostblockländer dem Schengenraum beitraten. Völlig zurecht wurde darauf hingewiesen, dass für die Menschen dort die erleichterte Reisefreiheit eine sehr große Bedeutung hat.

Schön fand ich eine recht aktuelle Fotoserie über die Einwohner Schengens. Dort sah man anhand der Namen von Messdienerinnen, dass es offensichtlich portugiesische Einwanderer gibt. Die Einwohner einer Straße hielten stolz ein Schild „seit 40 Jahren“ hoch. Hier vermute ich ebenfalls einen Zuzug aus Portugal, wie er auch in dem Kauderwelsch-Buch erwähnt wird.

Beim Kaufen einiger Andenken im Museum (nein, sie verkauften kein Schengen-Visum!) konnte ich ein weiteres Mal Lëtzebuergesch anwenden. Was für ein hervorragendes Gefühl, eine charmante junge Dame in ihrer Landessprache ansprechen zu können und dann ein so schönes Lächeln als Reaktion zu bekommen! Genau dafür mache ich das alles mit den Fremdsprachen!

Im dritten Teil: Sensationelle Enthüllung! Wie die offenen Grenzen offenbar einen ganz bestimmten Wirtschaftsbereich in Frankreich ruinieren!

Wir sind wie Luxemburg

„Wir machen unsere eigenen Regeln.“ Gut, ich bekomme es nicht mehr ganz auswendig auf die Reihe, aber die zwei Sätze sind Teil eines Zitates aus Starsky & Hutch (der Verfilmung von 2004). Leider ist es erschreckend wenig bekannt, so dass meine bisherigen Versuche, es bei verschiedenen Gelegenheiten im Alltag anzubringen, immer auf Unverständnis stießen.

Da die erste Woche war bereits voll mit anderen Aktivitäten war und ich vergangenes Wochenende in Jesberg war, konnte ich meine internationalen Reisepläne noch nicht sofort in die Tat umsetzen. Dann kränkelte ich auch noch ein wenig und musste endlich meine Reise über Ostern organisieren. Aber dann musste ich einfach raus!

Als erstes Land von meiner Liste wollte ich Luxemburg erledigen. Das klingt zunächst nicht besonders spannend und exotisch, aber es war das einzige Nachbarland von Deutschland, das ich noch nie besucht hatte. Außerdem könnte ich das ohne Flug erreichen. Der ursprüngliche Plan sah vor, in Trier zu übernachten und dann mit dem Zug nach Luxemburg-Stadt zu fahren. Zur Vorbereitung hatte ich mir bereits aus der Kauderwelsch-Reihe, mit der ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe, das Buch „Lëtzebuergesch Wort für Wort“ bestellt. Dort las ich (was mir bisher gar nicht bewusst war), dass Schengen in Luxemburg liegt und außerdem am Dreiländereck Luxemburg – Deutschland – Frankreich. Da ich nicht auf einen bestimmten Ort festgelegt war, suchte ich nach Hotels in Schengen und stieß so auf das Hotel Perler Hof in Perl, dem deutschen Grenzort gegenüber von Schengen. Beide Orte werden durch eine Brücke miteinander verbunden, ähnlich wie Kehl und Straßburg. Das klang noch interessanter, zumal die Preise in Deutschland (etwa für einen Besuch im Restaurant) niedriger sein würden.

Gesagt, getan: Angerufen, Zimmer reserviert, Fahrkarte besorgt, Sachen gepackt und los. Mit dem EC ab Münster hätte ich übrigens direkt nach Luxemburg-Stadt fahren können. So musste ich einmal in Trier umsteigen. Dort vermeinte ich bereits Lëtzebuergesch zu hören. Im Zug sprach ich die Damen dann an und stellte fest, dass ich richtig lag. Allerdings meinte ihre junge Begleitung auf Deutsch, dass es doch völlig überflüssig sei, Lëtzebuergesch zu sprechen. Gut, wenn ich die Tochter eines Luxemburger Bankdirektors wäre, die mit 14 Jahren eine eigene Wohnung hat, würde ich das vielleicht auch anders sehen… aber immerhin hatte ich so bereits eine interessante Begegnung gehabt.

Ich hatte mich, was die Entfernungen angeht, ein wenig geirrt. Der Ort Perl liegt etwa 2 km vom Bahnhof entfernt Schlauerweise reiste ich mit leichtem Gepäck. Der Bahnhof befindet sich wiederum direkt an der Mosel und damit an der Grenzbrücke. Das bedeutete natürlich auch, dass ich dieselbe Strecke noch einmal gehen müsste, um nach Luxemburg zu kommen, und es war bereits nach 21 Uhr. Aber es gab kein Halten mehr für mich. So lange hatte ich mich darauf gefreut, da wollte ich nicht noch einen Tag abwarten!

Unterwegs überkam mich ein ähnliches Gefühl wie damals während meiner ersten Tage in meinem Erasmus-Jahr auf Catania, Sizilien: Ich könnte jetzt in aller Sicherheit irgendwo zu Hause sein, aber ich bin aus meinem gewohnten Alltag ausgebrochen. Genau darauf hatte ich gehofft, dass dieses Gefühl wiederkommt. Aber sicher war ich mir nicht gewesen…

Als ich dann auf der Brücke stand und die Schilder sah, die Luxemburg anzeigten, da war das schon ein bewegender Moment. Das erste Land auf meiner Liste, das ich besuchen würde. Und ich konnte einfach herüberstiefeln! Besser kann man die Existenz des Schengen-Raumes gar nicht würdigen.

Rechts unterhalb der Brücke sah ich ein Monument, so dass ich erst einmal nicht weiter in den Ort hineinging. Wie sich herausstellte, befindet sich in der Nähe ein Europa-Museum, vor dem weitere Monumente stehen. Von einem hatte ich bereits im Internet gelesen. Als ich durch die Nacht in Richtung Museum ging, da war das ein Hochgefühl. Ich hatte es wirklich geschafft! Und es war so leicht gewesen! Direkt darauf wurde ich tieftraurig, denn mir wurde bewusst, dass ich das schon viel früher hätte machen können, aber viel zu lange mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war, die mich auf Trab gehalten hatten. Diese emotionale Achterbahnfahrt erlebe ich leider sehr häufig, wenn ich in den letzten Jahren etwas „nur für mich“ gemacht habe. Das mag sehr schade klingen, aber da ich dann immer das Gefühl habe, ganz bei mir zu sein, muss es wohl richtig so sein.

An dem Platz vor dem Museum waren die Namen europäischer Länder in jeweils einem Stein verewigt – übrigens in der jeweiligen Landessprache! Zusammen mit einem Monument, das von innen beleuchtet wurde, wirkte es doch sehr würdevoll. Der Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume hat bereits einige Male über die USA geschrieben und wie sich dort gewisse Rituale und Grundüberzeugungen quasi zu einer Zivilreligion ausgebildet hätten. Vielleicht wäre Schengen die Basis für ein europäisches Pendant…

Vor dem Museum wurde mir auch klar, dass ich – ohne darüber nachgedacht zu haben – mit Luxemburg und Schengen das ideale erste Ziel für meine geplante Reiseserie gewählt hatte. Was kann es für einen symbolträchtigeren Ort geben, um ein Jahr durch Europa zu beginnen?

Nach einem kleinen Spaziergang durch den Ort und die Umgebung beschloss ich, für den heutigen Tag genug erlebt zu haben. In einer Kneipe war noch Betrieb und es wäre die nächste Gelegenheit gewesen, mein Lëtzebuergesch auszuprobieren, aber ich war tatsächlich etwas müde und wusste, dass ich ja noch den Rückweg vor mir hatte.

Im zweiten Teil: „Das gehört in ein Museum!“