Slowakei

Zu meinem Esperanto-Urlaub in Nitra hatte ich ja schon mehrere Teile geschrieben und geschildet, wie ich unter anderem das WM-Finale erlebte, eine Nacht als DJ arbeitete und mit der Ukulele auf der Bühne stand. Ein paar Sachen gibt es noch zu nennen.

Zum anderen das Konzert von Martin Wiese & la Talpoj (talpo = Maulwurf). Ich hatte Martin noch einen Monat zuvor in Stockholm getroffen. Er ist, wie gesagt, eines meiner musikalischen Idole und seine Lieder haben mich seit der Kindheit begleitet. Die Band spielte das erste Lied, das rockte ich auch schon ab in der ersten Reihe – so wie damals, als ich ein junger Erwachsener war.

Am letzten Abend trat mit Martin noch zusammen mit Bertilo Wennergren auf. Mit letzterem hatte ich über Ostern auf Sardinien musiziert. Zusammen sind die beiden zwei Drittel von Persone, der einflussreichsten Esperanto-Rockband. Entsprechend spielten sie Lieder aus dem Repertoire der Gruppe, darunter auch einige ältere Sachen. Es waren zwar nur zwei Gitarren, aber ich habe trotzdem sofort dazu getanzt und am Ende des ersten Liedes war die Tanzfläche voll. Da war ich bei weitem nicht der einzige Fan, der sich über diese beiden Auftritte sehr gefreut hat!

Club PIFA

Insgesamt habe ich fünf Nächte als DJ aufgelegt. Nach einigen Abenden am Stück kam bei mir eine gewisse Müdigkeit auf. Ich hatte bislang wenig Gelegenheit gehabt, mit den Leuten zu plaudern. Daher beschloss ich an einem Abend, noch nicht sofort loszulegen, sondern gesellete mich draußen vor dem Club Pifa zu einer Runde. Irgendwann vor Mitternacht kam jedoch eine junge und sehr hübsche Dame vorbei und fragte, wann endlich die Disco losgehe. Man merkte also, wenn ich fehlte! Mehr brauchte ich nicht, um mich an die Arbeit zu machen. (Es entspricht ja auch perfekt meinen drei Motiven: einen Unterschied machen, etwas in den Herzen der Menschen bewegen, gut genug für etwas sein.)

In der Disco erlebte einen weiteren großartigen Moment: Bei einer Phase mit härteren Sachen tanzte ich so frei und unbeschwert, als ob ich wieder 17 wäre. Einen großen Teil der Lieder gab es damals noch nicht, aber Nirvana brachte doch angenehme nostalgische Erinnerungen.

In der letzten Nacht schaffte ich es außerdem, endlich einmal ein Schwoflied unterzubringen. Das ist für mich als DJ immer besonders wichtig, denn nach dem Kennenlernen beim Tanzen will man vielleicht auch mal langsamer mit jemandem tanzen. Leider ist das in den letzten Jahren ein wenig aus der Mode gekommen, so zumindest mein Eindruck. Wenn die Nächte erst spät anfängen und nicht bis zum Frühstück gehen, hat man als DJ außerdem nur einen sehr engen zeitlichen Korridor. Dann liegt die oberste Priorität erst einmal darauf, die Diskothek überhaupt zum Laufen zu bringen und die Bude voll zu bekommen. Aber wie gesagt: Diesmal klappte es, und ich fand auch selbst ein Partnerin zum Tanzen. Damit waren die Selbstzweifel beseitigt. Das reicht mir vollkommen aus.

Bevor ich für den DJ-Job einkaufen war, hatte ich via soziales Netzwerk einmal herumgefragt, welche Lieder ich denn unbedingt dabei haben sollte. Eine Antwort war: unbedingt etwas von Amanda Palmer, zum Beispiel „Do It With A Rockstar“ und „Melody Dean“. Beide Stücke befinden sich auf dem Album „Theatre Is Evil“, das man sogar kostenlos herunterladen kann.

Nun sind Amanda Palmer & The Grand Theft Orchestra vielleicht nur einer kleinen Gruppe von Eingeweihten bekannt, aber diese Leute legten dafür auch so richtig los, wenn ich die besagten Lieder spielte. „Do It With A Rockstar“ dient auch als musikalische Untermalung für das folgende Video, das Eindrücke von der Woche zeigt:

Somera Esperanto-Studado (SES) 2014 in Nitra (Slowakei)

Aus Eitelkeit: Ich bin einige Male zu sehen: 1:15-1:18 (mit Ukulele), 1:29-1:32 (im Hintergrund als Sänger), 2:27-2:30 (links, WM-Finale), 2:35 (Foto mit Ukulelen), 3:02 (mit Ukulele).

Nitra

Über meinen Sommerurlaub in der Slowakei hatte ich ja bereits angefangen zu berichten: WM-Finale gucken und danach abfeiern, dann als Gastmusiker im Konzert auftreten und als DJ arbeiten… das klang doch schon sehr gut!

SK-Schoko

Zwischendurch war ich etwas nachdenklich gewesen, aber es kam noch ein negativer Moment, der mich einen Tag lang aus der Urlaubslaune riss. Ein Bekannter stellte fest, dass ich immer noch nicht verheiratet sei, und fragte, wann ich denn heiraten würde. Er hatte wohl einfach keine Ahnung, wie meine Lage war (auch wenn wir in der Vergangenheit bereits über das Thema gesprochen hatten), aber bei mir kam es so herüber, als ob ich das alleine bewerkstelligen könnte und es nur an meinem fehlenden Willen scheitern würde. Jedenfalls zog mich das ziemlich herunter. Abhilfe schaffte ein Gespräch mit einer Freundin, die mich auf den passenden Gedanken brachte: Das klingt doch, als ob das Leben ein Spiel wäre, bei dem man einfach gewisse Sache erreichen muss, und ansonsten ist man ein Versager. Kompletter Blödsinn!

Dann bekam ich eine sehr beunruhigende Nachricht von einer Freundin. Das beschäftigte mich natürlich ebenfalls. (Inzwischen weiß ich aber, dass alles wieder in Ordnung ist.)

Und zuletzt gab es noch eine etwas verrückte Situation: Ich ging alleine los, um einige Sachen zu essen und zu trinken für die nächste Reise zu kaufen. Es dauerte eine Weile, bis ich den Supermarkt erreicht hatte, den man mir beschrieben hatte. Als ich endlich drin stand, fühlte ich mich einsam und verloren. Das ist mir kurioserweise schon öfters so in einem großen Supermarkt gegangen: All die vielen Waren, man kann alles kaufen – außer für die eigentlichen Probleme im Leben. Und mitten in der scheinbar heilen Welt im Supermarkt falle ich mir selbst umso mehr auf, mit allen meinen Fehlern und Schwächen, und fühle mich wie ein störendes Element. Immer wieder ein deprimierendes Erlebnis. Bescheuert, aber wahr!

Das waren aber auch schon die Tiefpunkte in einem ansonsten großartigen Urlaub. Musikalisch habe ich (weiter) aufgetrumpft: Bei einem anderen Konzert – übrigens von einem der Musiker, mit denen ich auf Sardinien auf der Bühne gestanden hatte – trat ich, fünf Minuten vorher angeheuert, als Gastmusiker mit Ukulele auf. An einem anderen Tag unterrichtete ich Ukulele im Schwimmbad und machte mit demselben Musiker sogar ein kleines Konzert, das viel Aufmerksamkeit erregte. Am letzten Abend gab mein frisch zusammengestelltes Ukuleleorchester zwei Stücke zum besten. Es war der letzte Beitrag des Abends, es war schon spät, und wir traten nach einer grandiosen Nummer auf. Dennoch hat es gut geklappt, das Publikum war sehr angetan und ich hochzufrieden. Und wieder habe ich neue Leute für meine wachsende Armee von Ukulele spielenden Zombies rekrutiert, harharhar!

Sich über Siege freuen – und dann selbst etwas machen

Selbst so eine schöne Nacht wie die nach dem WM-Triumph geht leider irgendwann zuende. So ein Moment des Jubelns ist auch immer ein Anlass, über das eigene Leben nachzudenken. Was kann ich ändern, damit es dauerhaft besser wird? Die Operation Augias fällt mir als erstes ein. Sie ist noch lange nicht abgeschlossen. Dabei merke ich den Nutzen bereits jetzt.

Am Tag danach bin ich erstaunlicherweise rechtzeitig wach geworden, um noch das Frühstück mitzunehmen. Das ist, wenn ich mich recht erinnere, das erste Mal in drei aufeinanderfolgenden Jahren Urlaub in der Slowakei. Ohne Alkohol gab es zumindest keine unangenehmen Nachwirkungen.

Tatkräftigkeit anderer ist eine gute Motivation, selbst etwas zu tun. Am Vormittag habe ich den Ukulelekurs für den Nachmittag vorbereitet und endlich einen großen Schritt voran gemacht, um ordentliches Material zu haben. Der Fleiß hat sich gelohnt!

Abends war ich noch Gastsänger für zwei Lieder in einem Konzert – so ganz nebenbei, das läuft ganz von selbst und danach kam mein Einsatz als DJ. Vor zwei Jahren habe ich schon einmal in dem Club aufgelegt und damals habe ich es aus meiner Sicht nicht besonders gut gemacht. Es war zwar kein Reinfall, aber weit entfernt von dem, was ich normalerweise kann.

Diesmal hatte ich aus meinen Fehlern gelernt. Ich baute meinen Krempel mit dankenswerter Hilfe der Bedienung rechtzeitig auf. Die Technik funktionierte einwandfrei – ein ungewöhnliches Erlebnis! Ich hatte zwar keine Liederliste vorbereitet, aber einige Ideen und genügend Zeit, da das Konzert noch nicht zuende war. Ich dachte, es sei in den letzten Zügen, dabei kam noch Zugabe um Zugabe. Danach waren viele Leute todmüde.

Dennoch bekam ich den Laden recht schnell noch gut gefüllt. Gerade die CDs, die ich mir kurzfristig noch in Münster gekauft hatte, erwiesen sich als goldrichtig.

Natürlich gab es auch Momente mit gemischten Gefühlen. Wenn ich sehe, wie Menschen zu zweit tanzen oder flirten, wird mir besonders bewusst, dass ich alleine bin. Letzten Endes darf das aber nicht mein Maßstab sein oder mich von dem abhalten, was ich tun will.

Vor allem sind die Erklärungen – und damit die Beurteilungen – nie so einfach, wie sie scheinen. Ja, ich bin insgesamt derzeit recht glücklich. Nein, ich bin nicht zufrieden damit, dass ich alleine bin. Ja, ich glaube, wenn ich alles daran setzen würde, könnte sich das in absehbarer Zeit ändern. Nein, ich finde nicht, dass ich das tun sollte, denn ich müsste dafür auf fast alles verzichten, was ich derzeit mache. Ja, ich tue das, was ich für richtig halte. Nein, ich glaube nicht, dass das, was ich jetzt mache, ein Konzept für meine Zukunft ist. (Das ist alles einen eigenen Eintrag wert…)

Am Ende stand eine Nacht, die ich recht locker runtergerockt habe. Die Leute haben sich gut amüsiert, die Bedienung war müde, aber lächelte, und ich konnte mit dem zufrieden sein, was ich erreicht hatte. Nach dieser Schlappe vor zwei Jahren hatte ich jetzt noch einmal die Chance bekommen, es richtig zu machen.

Ich habe heute einige Komplimente eingesackt, die mir ans Herz gingen. Eine junge Dame meinte, man hätte gesehen, dass ich fürs DJ sein brennen würde. Dieses „ganz bei mir sein“ war ja schon mehrfach Thema in diesem Blog, denn das bedeutet mir sehr viel. Ein junger Mann bedankte sich für die Disco, das sei etwas für alle gewesen. Auch das ging runter wie Öl, denn er kam extra auf mich zu, um mir das zu sagen, und wir hatten um Silvester herum noch festgestellt, dass wir eher verschiedene Geschmäcker haben.

In diesem Abend als DJ spiegeln sich die drei Motive wieder, die mich antreiben: Einen Unterschied machen, etwas in den Herzen der Menschen bewegen, gut genug für etwas sein. Gestern nacht waren sie alle drei erfüllt und das macht mich glücklich.