Seit letzter Woche bin ich zwei Schritte weiter, was mein Vorhaben angeht, Veränderung in mein Leben zu bringen. Ich habe zwei weitere Gespräche geführt, eines sogar auf Niederländisch und sehr entspannt. Das heißt immer noch nicht, dass ich Erfolg haben werde. Aber es bedeutet, dass ich mit dem Herzen bei dem bin, was ich tue. Und das fühlt sich so unheimlich gut an.
Das Jahr ist eineinhalb Monate alt und ich habe in mancherlei Hinsicht mehr Chancen auf positive Veränderung gesehen als in den vier Jahren zuvor. Sollte dem lange Winter, der nicht mehr zu enden schien, nun doch noch Tauwetter folgen? Ich wage es kaum zu glauben. Doch es fühlt sich manchmal so an.
Aber noch viel wichtiger: Diese eine Sache muss es nicht sein. Was sein muss, ist zuallererst, dass ich wieder auf mich selbst achte. Der Rest wird sich schon finden.
Heute war ein bemerkenswerter Tag, auch wenn ich mich gar nicht besonders fühle, sondern im Gegenteil recht entspannt. Ich habe bezüglich meiner Absicht, Veränderung in mein Leben zu bringen, einen Etappensieg errungen.
Das hätte mich eigentlich vorher nervös machen und in der Situation selbst viel Anstrengung kosten sollen. Tatsächlich war ich sehr ruhig und, ganz wichtig, ich selbst. Ich habe, wie als ich vom Groove geträumt habe, ganz locker ein Gespräch geführt. Ich hatte damals recht: Es muss kein Traum sein!
Es erinnerte mich auch an die Gelegenheit, bei der ich eine erhellende Erfahrung gemacht habe. Ich hatte den Groove. Ich habe mich nicht verstellt oder wichtige Teile meiner Persönlichkeit verheimlicht. Ich war ok, so wie ich war.
Diese Erfahrung ist für sich alleine genommen so gut, dass der weitere Ausgang nicht so wichtig ist. Beachtlich finde ich vielmehr, dass ich die Sehnsucht nach einem höheren Zweck, von der ich noch vor einem Monat geträumt habe, nicht vergessen, sondern auch in der Realität zum Ausdruck gebracht habe. Dass ich aufrichtig gegenüber mir selbst gewesen bin ist wichtiger als jede Bestätigung von außen. Darum bin ich so entspannt und zufrieden.
Ich habe nicht auf eine bessere Zeit gewartet. Ich habe sie zum Teil geschaffen. Ich bin meinen Träumen treu geblieben.
Letzte Nacht hatte ich einen interessanten Traum. Ich war irgendwo unterwegs, wo ich noch nie zuvor gewesen war, in einem fremden Land. Es war recht kühl, aber es hieß, zu dieser Jahreszeit sei es erträglich. Ich sah unberührte Natur, einen See von den Bergen aus.
Plötzlich liefen mir drei junge Frauen über den Weg, alle drei hellblond und herzlich lachend. Sie hielten mich für einen Einheimischen und sprachen mich in einer skandinavischen Sprache an, so dass ich ihnen erst einmal erzählen musste, dass ich Tourist war (was scheinbar nicht offensichtlich war). In dem Versuch, nicht alles auf Englisch sagen zu müssen und guten Willen zu zeigen, kramte ich verschiedene Kauderwelsch-Bücher aus meinem Rucksack.
Dann kam noch ein russischer Tourist hinzu, der mich fragte, was ich so im Leben machte. Ich antwortete ihm, dass ich in der Softwarentwicklung arbeite und Scrum Master sei, dass mir das grundsätzlich gefalle, aber dass mir ein höherer Zweck fehle und dass ich mich nach einem Sinn sehnte.
Wie ich das so ganz ruhig sage, überkommt mich eine große Zufriedenheit, die auch nach dem Aufwachen nicht mehr weggeht. Eigentlich hatte ich vor, heute über etwas anderes zu bloggen, aber dieser Traum bekommt Vorrang, weil er mich so fasziniert.
Warum war ich so zufrieden? Weil ich mich das Richtige getan habe! Weil ich kurz und knapp sagen konnte, was ich mache und was mir fehlt, und das in aller Ruhe, ohne traurig oder wütend zu werden. Weil ich mir selbst gegenüber aufrichtig gewesen bin. Und weil ich das, was ich im Traum gesagt habe, auch so im echten Leben sagen kann. Darum war dieser Teil des Traums so real, und das inmitten einer Szene, die mit meiner derzeitigen Realität nichts zu tun hat. Ich nehme das als sehr starken Hinweis darauf, was wirklich wichtig ist, gerade weil die Umstände nichts damit zu tun hatten, sondern es aus mir selbst heraus kam.
Die Situation hätte auf einer Reise stattfinden können, etwa „der Auszeit zweiter Teil“, diesmal z.B. in Island unterwegs. In dieser Hinsicht gibt es einen Bezug zu meiner Sehnsucht nach Reisen.
Die Aussage des Traums ist jedoch gerade nicht „Du solltest wieder verreisen, um glücklich zu werden“. Die Botschaft lautet eher „Du kannst verreisen, wie Du willst, aber Du kannst vor Deinen eigenen verborgenen Bedürfnissen nicht weglaufen und es ist besser, wenn Du zu ihnen stehst“. Die Reisesituation war mehr ein Katalysator, um das deutlich zu machen:
Es kommt nicht darauf an, in gewohnter Umgebung und in ein soziales Netz eingebettet zu sein (neues Land, fremde Leute).
Es kommt nicht darauf an, etwas zu leisten (Sprachkenntnisse) oder nützlich zu sein (Tourist!).
Es kommt nicht darauf an, Frauen zu beeindrucken (die interessierten sich auch ohne eine besondere Leistung für mich).
Es kommt darauf an, sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein. Alles andere ist zweitrangig und wird sich schon finden.
Aufrichtigkeit ist eine Voraussetzung dafür, den Groove wiederzufinden! Das ist doch ein prima Leitbild fürs neue Jahr.
Ein Lied ging mir nach dem Aufwachen nicht mehr aus dem Kopf – und darüber hätte ich so oder so heute gebloggt. Es stammt von Dota Kehr, auf die ich auf Empfehlung einer Freundin erstmals bei ihrem Wohnzimmerkonzert aufmerksam wurde. Der Titel bezieht sich natürlich auf die gute Fee aus der Fernsehserie „Hallo Spencer“, mit der ich viele Kindheitserinnerungen verbinde. Egal, in welcher Klemme die Dorfbewohner saßen: Mit einem Vier-Zeilen-Reim wurde Galaktika herbeigerufen und brachte alles wieder in Ordnung.
Ich finde das Lied hochspannend, weil der Text einerseits Sehnsucht nach Erlösung ausdrückt, andererseits auch klar benennt, dass wir unsere Probleme schon selbst lösen müssen, und das ohne traurig oder bitter zu klingen. Eine Perle deutschsprachiger Liedkunst!
Ich war in meiner alten Firma in Münster und begrüßte meine ehemaligen Kollegen und den Chef. Dazu muss man wissen, dass wir üblicherweise nicht alle im Büro waren, sondern vor Ort beim Kunden. Die Gelegenheiten, bei denen wir uns gesehen haben, waren daher oft besonders herzlich.
Dieser Traum enthielt auf mehrfache Weise, was mir derzeit fehlt:
Ich bin so einsam wie nie zuvor.
Ich bin seit Anfang Januar nicht mehr verreist.
Ich kann derzeit nicht einfach „mal eben nach Deutschland“.
Aber – und das ist die Neuigkeit! – das muss nicht so bleiben!
Ich habe letzten Donnerstag meine erste Impfung bekommen, das Datum für die zweite ist Ende Juni. Mit anderen Worten: Ab dem 2. Juliwochenende sind wahrscheinlich wieder physische Treffen mit Freunden und Familie möglich. Auch meine große Sehnsucht nach internationalen Reisen in für mich neue Länder könnte bereits im Sommer gestillt werden. Dass meine Liste der Länder, die ich besuchen will, noch so lang ist, könnte sich nun als Vorteil herausstellen: Irgendetwas von den 18 Stück wird schon gehen! Da genügend Länder aus Südeuropa dabei sind, sind auch Spätsommer und Herbst noch eine Option.
Es besteht also die realistische Aussicht, in einigen Monaten das zu tun, worauf ich seit November 2014 verzichtet habe: Ein neues Land zu besuchen und meinem Traum, einmal alle Länder Europas zu sehen, ein Stück näher zu kommen!
Meine emotionale Achterbahnfahrt geht weiter. Über die nicht so schönen (aber dennoch lehrreichen) Teile schreibe ich ein anderes Mal.
Am Sonntag geschah es, dass ich mich zum ersten Mal seit langer Zeit wohl fühlte. Für kurze Zeit fühlte ich mich an frühere Phasen meines Lebens erinnert:
Ende 1996, die ersten Monate des Studiums, ich war frei und am richtigen Ort. Ich passte zum Uni-Leben.
Anfang 2000, ich war in Catania während meines Erasmus-Jahres. Ich war glücklich und musste nichts leisten oder beweisen.
Und schließlich die Auszeit 2014, obwohl die sich überraschenderweise schlechter anfühlt als die drei zuvor geschilderten Situationen. Aber interessant bleibt, dass es solche Zeiten schon vorher gegeben hat, ich sie nicht vergessen habe – und sie wiederkommen können, ohne dass ich etwas besonderes dafür vollbringen muss.
Gestern und vorgestern hatte ich das Gefühl „ich bin gut, so wie ich bin“. Der Groove kam auf ganz kleiner Flamme einfach so zwischendurch. Bemerkenswert!
Aber am stärksten hat mich der Traum letzte Nacht beeindruckt. Da hatte ich den Groove ganz deutlich. Es war kein schwammiger Traum, in dem seltsame Kräfte wirkten oder absurde Dinge passierten, so wie ich sie manchmal habe. Alles kam mir so wirklich, völlig natürlich vor!
Ich bewarb mich auf eine Stelle im Krankenhaus zur Unterstützung von Ärzten oder Psychologen. Verletzbarkeit und die emotionale Seite waren dabei entscheidend. (Sonstige Qualifikation und fachliches Wissen waren ohnehin vorausgesetzt.) Ich war im Vorstellungsgespräch und völlig locker. Ich begrüßte die Leute freundlich und baute zu jedem eine Verbindung auf. Als ich aufwachte, war mir klar: Das muss kein Traum sein!
Denn was ich da zum Teil durchlebt habe, habe ich in anderer Form bereits erlebt! Es war eine Erinnerung daran, was wieder – und häufiger – sein kann. Ein guter Ansporn, daran festzuhalten.
Zehn Tage nichts Neues gebloggt – was ist los? Keine große Reiserei im Moment (dafür mehrere kleine), aber ansonsten scheint sich einzustellen, was ich schon oft auf Esperanto geschrieben habe: Entweder ich lebe oder ich blogge über das Leben!
Es war ein Teil meines Sardinien-Urlaubs und ich hatte im Rückblick auf den April schon angekündigt, dass ich darüber schreiben wollte. Aber dann wollte ich es besonders gut machen und am Ende schrieb ich bislang gar nichts. Mal wieder hat mich die alte Perfektionismusfalle geschnappt: Daher jetzt oder nie!
Erst einmal ein wenig langatmigen Vorlauf, der leider sein muss, um das Thema zu verstehen. Esperanto ist meine zweite Muttersprache (neben Deutsch) und ich liebe Musik.
Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen ist das Konzert der Esperanto-Rockband Amplifiki Mitte der 1980er Jahre. Ab hier kann ich mich selbst zitieren aus einem alten Artikel über moderne Esperanto-Musik:
„Ab spätestens den 1980er Jahren wurde Rockmusik ein fest verankerter Teil der Esperanto-Kultur. In diese Zeit fiel die Gründung der heute legendären Rockband Amplifiki, deren Mitglieder aus Schweden, Dänemark und Frankreich kamen. Die Lieder ihres ersten Albums Tute negravas („Ist ganz unwichtig“ oder „Macht überhaupt nichts“) genießen noch heute Kultstatus unter jugendlichen „Espis“. Als sich drei der Musiker während des Esperanto-Jugendweltkongresses 1999 zum ersten Mal seit vielen Jahren zu einem gemeinsamen Konzert zusammenfanden, wurde dies zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Obwohl der größte Teil des dortigen Publikums Amplifiki nur von alten Kassettenaufnahmen kannte, sangen alle die Texte begeistert mit.“
Von diesem Konzert gibt es seit neuestem Ausschnitte bei Youtube zu sehen. Es sind nur kleine Ausschnitte, aber das hält mich in meiner Nostalgie nicht zurück (außerdem bin ich eitel und muss das Video einbetten, weil ich mich selbst dort entdeckt habe):
Über diesen Kongress gab es einen Artikel namens „Vera oro„, in dem auch dieses Foto auftauchte, auf dem vorne im Publikum mein Bruder zu sehen ist. Was er da hochhält und warum er das macht (es war ein Vorschlag von mir!), ist eine eigene Anekdote.
Wunder des Internets: Dieses Foto wurde bei Facebook wiederveröffentlicht und daraufhin bekam einer der Organisatoren des Treffens in Italien die Idee, die gesamte Originalbesetzung einzuladen. Als ich das las, war ich von Donner gerührt.
Das war in etwa so, als hätten die Beatles (zwischen 1970 und 1980, versteht sich) einfach mal so wieder zusammen ein Konzert gegeben. Amplifiki waren sicherlich nicht so originell oder künstlerisch ausgereift wie die Beatles (den entsprechenden Beitrag in der Geschichte der Esperanto-Rockmusik haben dann andere Bands, allem von Persone, übernommen), aber sie waren die ersten mit anhaltender Wirkung. Die Kassette (!) „Tute negravas“ habe ich ungezählte Male vor dem Einschlafen gehört. Als ich vor 9 Jahren hörte, dass das Album wieder erhältlich sei, habe ich es sofort auf Esperanto geschrieben: „Wenn ich nur ein Esperanto-Album auswählen und empfehlen könnte – dieses hier wäre es.“
Der Italien-Urlaub versprach also gewissermaßen eine Reise zurück in die Kindheit zu werden. Schon 1999 hatte ich Tränen in den Augen, und jetzt sollte die gesamte Band wieder zusammenkommen!
Große Erwartungen haben leider den Nachteil, dass sie oft enttäuscht werden. Aber es sollte ganz anders kommen…
Am Flughafen in Mailand-Linate stellte sich heraus, dass mein einstündiger Flug drei Stunden Verspätung hatte. Ein Unfall mit einem Traktor in Pescara, die Ersatzmaschine aus Rom würde solange brauchen. Die anwesenden Italiener tobten; ich war mir sicher, mein Ziel noch am selben Tag zu erreichen (genau deswegen hatte ich einen Flug am Morgen gewählt!) und packte zur Entspannung meine Ukulele aus. (Über Ukulele spielen und was ich damit schon erlebt habe, muss ich noch eigene Einträge schreiben.)
Da sprach mich eine Dame auf Esperanto an. Sie hatte messerscharf kombiniert: Im Flughafen Ukulele spielen – so verrückt kann ja nur ein Esperantosprecher sein! Ihre Begleitung stellte sich als Aline vor. Aline – so wie Aline, die Sängerin von Amplifki, und das gleichnamige Lied auf dem ersten Album. Wie sich herausstellte, waren die beiden Frauen niemand anders als die Sängerinnen von Amplifiki! Helden meiner Kindheit!
Wir verbrachten noch nach der Ankunft in Alghero einige Zeit im Flughafen, um auf dem Bus zu warten. Sie übten einige Texte und ich sang mit. Irgendwann kam die Idee auf (war es, als wir die anderen Musiker direkt nach der Ankunft in Lu Bagnu im Café getroffen hatten?), dass ich doch als Gastsänger auftreten könnte, da Martin Wiese (ein schwedischer Musiker und eines meiner musikalischen Idole schlechthin) leider nicht kommen konnte. Das muss man sich mal vorstellen! [Name Deiner Lieblingsband] gibt ein Konzert und sie fragen Dich nebenbei, ob Du nicht Lust hättest, für ein paar Lieder einzuspringen!
Im Grunde eine Erzählung, wie man sie aus schlechten Filmen kennt: Der promoted Fanboy („beförderte Fan“), wie er im Buche steht (bzw. Im TV-Tropes-Wiki, was aber hier auf dasselbe hinausläuft).
Nun kann es ja sehr desillusionierend sein, die Idole seiner Kindheit in echt und hautnah zu erleben. Am Ende sind Musiker auch nur Menschen mit Fehlern und Schwächern.
Aber diese Enttäuschung blieb aus, im Gegenteil: Nichts fand ich so rührend und beeindruckend wie bei den Proben zu erleben, dass sich alle Beteiligten voll auf die Vorbereitungen für das Konzert konzentrierten. Von „ich bin eine lebende Legende und brauche mich nicht vorbereiten“ keine Spur. Und dann höre ich einige der wichtigsten Lieder meiner Kindheit (und auch meines ganzen bisherigen Lebens) und werde selbst Teil dieser Darbietung… es schien mir wie ein Traum zu sein, aber es war alles echt.
Am Abend des Konzerts waren alle recht nervös. Würde das Wetter mitspielen (das Konzert fand im Freien statt) und würde die Technik funktionieren? Ich hatte auf dem Treffen bereits zweimal als Gastmusiker (mit Ukulele) fungiert, aber dieses Konzert, wie man nach allen bisherigen Ausführungen ahnen kann, stellte alles bisherige in den Schatten. Die gewissenhaften Proben zahlten sich aus. Ich sang „Somera temp'“, „Brava bardo“ und „Por ĉiam“ und war ganz in meinem Element.
Mit diesem Konzert wurde ein Stück Esperanto-Musikgeschichte geschrieben. Die anwesenden Veteranen, die Amplifiki noch aus alten Zeiten kannten, waren gerührt; im Internet bedauerten zahlreiche andere, dass sie nicht dabei sein konnten. Vielen jüngeren Leuten war es vielleicht nicht bewusst, was sie für einen bedeutendes Ereignis erlebten. Es spielt aber keine Rolle, denn es war so oder so ein absoluter Meilenstein.
Dass ich persönlich dazu beitragen konnte, ist nur eine Randnotiz, aber für mich war das einer der schönsten Momente in meinem Leben. Tja, wer hätte das gedacht? Es können unerwartet tolle Sachen passieren. Ich habe mir zu Beginn meiner Auszeit sehr kritisch (aber auch sehr ehrlich) in Erinnerung gerufen, dass ich zwar eine gesundheitlich sehr schwierige Zeit in meinem Leben überstanden habe, dass ich aber keine Antwort darauf finde, wofür ich das gemacht habe. Jetzt weiß ich den Grund. Es war für dieses Konzert, für diese einmalige Erfahrung. Das war – ohne Übertreibung – einer der schönsten Tage in meinem Leben.
Es steht noch aus, die die grobe Ideenliste konkretisieren, auch wenn ich schon seit Monaten weiß, worauf es hinausläuft. Aber es ist doch wichtig, vorher noch einmal die Gedanken sortiert zu haben.
Träume sind ein gutes Leitmotiv für mich, um glücklich zu werden. Das habe ich an den vergangenen, erfüllten Träumen gesehen. Was sind die Träume, die geblieben sind? Wenn ich morgen tot umfallen würde, was würde ich bereuen, dass ich es nie gemacht habe? Was würde ich tun, wenn ich Zeit und Geld dafür hätte und ich unabhängig bin (also jetzt)?
– alle Länder Europas besuchen
– eine CD mit meiner Band aufnehmen
Zu der CD: Die Kohle für die Produktionskosten habe ich alleine schon zusammen. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob sich das finanziell rechnet oder nicht. Es geht darum, dauerhaft etwas festzuhalten.
Und damit beginnen die Probleme. Natürlich muss das Ergebnis gut sein (da kommt der alte Perfektionist in mir wieder hoch). Zum Glück haben wir uns Zeit gelassen, um besser zu werden. Dennoch würde ich lieber noch das „r“ rollen lernen und meine scheinbar ständig verschnupfte Nase loswerden, um meinen eigenen Gesang zu ertragen. Am wichtigsten ist mir jedoch, dass mir noch ein selbstgeschriebenes Lied fehlt, um das Repertoire abzurunden. Es ist zum Glück keine vage Idee, sondern ein ganz konkreter Titel. Das letzte Mal, als ich dieses Gefühl hatte und Jahre dafür brauchte, wurde es am Ende ein großer Erfolg, den ich immer wieder gerne spiele.
In dem Sinne: Weitermachen und sich nicht hetzen lassen. Da ich als dritten Punkt auf der groben Ideenliste „Gesundheit“ notiert habe, kann ich mich auch darauf konzentrieren, die lästige Nasenreizung loszuwerden – etwas, für dass ich im normalen Berufsalltag nie im Leben zum Arzt gehen würde.
Jetzt zu „Reisen“ und „Europa“. Von drei Wochen in Brasilien mal abgesehen, habe ich Europa nie verlassen. Allerdings hatte ich ab einem bestimmten Alter gar kein so großes Fernweh mehr. Stattdessen faszinierte mich mein Heimatkontinent immer mehr. So klein und doch so vielfältig… und wie viele Länder es zu entdecken gab! Bis jetzt habe ich davon folgende besucht:
Deutschland
Niederlande
Belgien
Österreich
Schweiz
Frankreich
Italien
San Marino (1986, 1999)
Kroatien (1997, 1998)
Vereinigtes Königreich (1989, 1994)
Dänemark (1985, 1991)
Norwegen (1991)
Finnland (2000, 2005)
Polen
Tschechien
Slowakei
Ungarn
Ukraine (2011)
Russland
„Besucht“ heißt dabei: Mindestens festen Boden unter den Füßen gehabt. Eine Durchreise oder ein Überfliegen zählen also nicht. Damit bleiben die folgenden noch nicht besuchten Länder in Europa:
Luxemburg
Liechtenstein
Vatikanstadt
Monaco
Andorra
Spanien
Portugal
Türkei
Griechenland
Malta
Weißrussland
Litauen
Lettland
Estland
Schweden
Island
Irland
Slowenien
Bosnien-Herzegowina
Serbien
Montenegro
Mazedonien
Albanien
Bulgarien
Rumänien
Moldawien
Eine beachtliche Menge! Wenn ich alle zwei Wochen ein neues Land besuche, schaffe ich das in genau einem Jahr!
Es bleiben ferner noch einige Länder, die ich unter „außer Konkurrenz“ nenne:
theoretisch ja: Kasachstan
umstrittene Gebiete: Kosovo, Transnistrien
Inselkram: Färöer, Gibraltar, Guernsey, Isle of Man, Jersey
Zypern (EU, aber nicht Europa), Georgien usw., Armenien
Kasachstan hatte ich dabei überhaupt nicht auf dem Schirm, dabei gibt es nach gängiger Europa-Definition mindestens eine kasachische Großstadt, die ganz in Europa (westlich des Flusses Ural) liegt und eine genau auf der Grenze (analog zu Istanbul in der Türkei). Mir will aber im Moment kein Weg einfallen, wie ich dort hinkomme, ohne von hinten durch die Brust ins Auge zu reisen.
Kosovo und Transnistrien sind de facto unabhängig, aber auch sehr unsichere Gebiete. Ich habe keine Lust, mir für meinen Perfektionismus offensichtliche Gefahr für Leib und Leben einzuhandeln. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich in Serbien bzw. Moldawien bestimmt „freuen“ wird, dass ich unbedingt dorthin will.
Diese ganzen Inseln sind keine unabhängigen Staaten. Egal, ob sie mit eigener Fußballnationalmannschaft antreten (ansonsten müsste ich Schottland, Wales und Nordirland ja ebenfalls extra zählen).
Zypern hat in meiner Liste nichts zu suchen, weil es mir um Europa geht, nicht um die EU. Armenien, Georgien und strittige Gebiete, die man mit ihnen assoziiert, haben kulturelle Verbindungen zu Europa, sind aber geographisch ebenfalls keine europäischen Länder.
Da habe ich mir natürlich viel vorgenommen. Mal sehen, wieviel ich schaffe.
Wenn mir die Lage nicht gefällt, dann ist es wichtig, mich daran zu erinnern, was ich ursprünglich – also unabhängig von Pflichten und Einschränkungen – einmal erreichen wollte im Leben. Denn das ist eine wichtige Antwort auf die Frage, wofür ich das alles eigentlich mache.
Beim Beschreiben meiner groben Ideenliste für das Jahr Auszeit hatte ich bereits angedeutet, dass es um meine Träume geht und es sich lohnt, darüber einmal genauer zu schreiben. Vielleicht tut mir zuerst ein Blick zurück gut, um zu beurteilen, wie es denn war, als sich in meiner Vergangenheit Träume erfüllt haben. Erinnern kann ich mich an zwei Träume meiner Jugend, die auch beide in Erfüllung gegangen sind:
– mit einer wunderschönen Frau zusammen sein
– als Sänger in einer Band die Leute rocken
Es war mir schon ein wenig peinlich, das aufzuschreiben. Wie oberflächlich und eitel! Wie gewöhnlich und selbstzentriert!
Dabei lehrt uns doch die Popkultur drei Dinge in diesem Zusammenhang (so zumindest meine Erinnerung an entsprechende Filme): 1. Dass man in der Jugend keine Ahnung hat, was wirklich wichtig ist im Leben 2. Dass es überhaupt nicht glücklich macht, wenn solche Träume wahr werden 3. Dass man lieber zurückstecken und bescheiden, selbstaufopfernd und uneigennützig handeln sollte, denn das ist der Weg zum Glück.
Als Jugendlicher dachte ich, das wären die wichtigsten und großartigsten Sachen im Leben. Als Erwachsener muss ich feststellen: Das sind sie.
Die wunderschöne Frau, die ich meine, war nicht nur gutaussehend, sondern intelligent, romantisch und humorvoll. Sie hatte einen sehr guten Einfluss auf mich, der bis heute noch anhält. Darum blicke ich auch nicht wehmütig auf diese Beziehung zurück. Als ich mit dieser Frau zusammen war, war das die beste Zeit meines Lebens. Und wenn ich Bilanz ziehen oder Rechenschaft ablegen müsste für mein ganzes Leben, dann wäre diese Erfahrung der Grund, warum sich mein Leben gelohnt hat, und der Sinn, wofür ich gelebt habe.
Als Sänger trete ich seit vielen Jahren immer wieder auf und ich habe durchaus mit einigen Bands auf der Bühne gestanden. Aber die richtige Krönung, das war das Konzert, als ich Sänger einer Rockband war, die den vollen Saal zum Tanzen brachte. Ich hatte das schon einmal probiert und so richtig verpatzt. Eigentlich dachte ich, damit wär’s das gewesen, ich bin einfach kein Rocker. Aber Jahre später bekam ich die Chance, es am selben Ort noch einmal zu probieren. Wie in einem klischeehaften Film. Und diesmal funktionierte es. Abgesehen von glücklicher Liebe war das die schönste Erfahrung meines Lebens. Es war genauso großartig, wie ich es mir immer vorgestellt habe.
Wenn ich mir die drei Motive noch einmal vor Augen halte, die ich als für mich entscheidend identifiziert habe (einen Unterschied machen, etwas in den Herzen der Menschen bewegen, gut genug für etwas sein), dann fällt mir auf: In beiden Situationen waren sie alle erfüllt. Und ich habe auch anderen Menschen etwas Gutes getan dabei.
Meine Träume waren also keine Schäume. Sie waren das, was fundamental wichtig und gut für mich gewesen ist.
Ich sollte mir also nicht einreden (lassen), dass ich „intellektuell“ oder „idealistisch“ handeln sollte. Beides sind kalte und leere Begriffe, wenn sie dem direkt entgegenstehen, was mich glücklich macht, und wenn ich mich für sie aufzehren muss, anstatt zu leben.
Das schreibt sich alles so leicht. Aber es hat unheimlich lange gedauert, bis ich mir über all das klar geworden bin.